Martin Ebel

Martin Ebel
beim Spielesammlertreffen 2003

Bernward Thole bestaunt Martin Ebels „Spielekrawatte“


Martin Ebel hat uns seine 4 „Spiele-Kurzgeschichten“ geschickt, die wir gerne hier veröffentlichen.     Kontakt eMail: Martin Ebel

Spiele-Kurzgeschichten von Martin Ebel:

Tod eines Brettspiels

Am Freitag Abend ist in Kassel Spieletreff. Ich trug also 2 Tragetaschen mit Spielen runter zum Auto. Wo war nur der Autoschlüssel? Ich musste die Taschen auf den Boden stellen und eine Tasche legte sich auf die Seite. Dann hatte ich die Schlüssel gefunden, schnell die Taschen auf die Rückbank gestellt und ab gings, nach dem ich mich durch Vorwärts- und Rückwärtsfahren aus der engen Parklücke gequält hatte. Nach einem etwas langweilig verlaufenden Spiel wollte noch jemand „St. Petersburg“ spielen. Es waren zwei, die es noch nicht kannten und ich hatte die Hoffnung, es endlich einmal gewinnen zu können. Aber ich fand es nicht. Scheinbar hatte ich es doch nicht eingepackt. Seltsam?!
In der Nacht kam ich zurück. Kein Parkplatz mehr in der Nähe frei. Es begann zu regnen. Jetzt nur schnell ins Haus.
Am nächsten Morgen weckte mich der Aufschrei meiner Frau vom Balkon.
„Martin, Martin, komm schnell. Da liegen Teile von Dir auf der Strasse. Potsdam oder sowas“. So ein Ruf kann einen schnell munter machen!
Im Schlafanzug gings im sanft nieselnden Regen auf den Balkon. Tatsächlich: Im Rinnstein und auf der Straße lagen größere Pappteile und viele, viele Kärtchen und Scheinchen in grün und blau und orange. Das war auch aus dem 2. Stock gut zu erkennen (Wetten, daß ich jedes beliebige Strategiebrettspiel der letzten Jahre aus 50 m Entfernung in überfahrenen und aufgeweichtem Zustand erkennen kann).
Das war St. Petersburg und es gibt nur einen Verrückten in dieser Strasse, dem ein neues Spiel, auf der Strasse liegend, gehören kann.
Ein wilder Schmerz umklammerte mein Herz. Mein Spiel, von Autos – möglicherweise sogar vom Auto seines Besitzers – überrolltes und durch 12 stündigen Regen aufgeweichtes und möglicherweise in Teilen davon fortgespültes mißhandeltes Exemplar, daß mir noch einen Siegestriumph schuldig war, war nicht mehr!
Ich zog mich schnell an und eilte mit einem Tablett nach unten, um die traurige Hinterlassenschaft einzusammeln. Die Pappe der Schachtel und der Plastikeinsatz waren zerrissen und zerschrammt; von Reifenabdrücken verschandelt. Nur da, wo mehrere Kärtchen zusammen lagen und unter der Pappe lagen, waren einige nicht ganz durchgenässt vom Wasser. Gleich in die Abfalltonne werfen konnte ich die Reste nicht. Dazu war ich zu traurig. Also nahm ich sie hoch in der Hoffnung, noch etwas retten zu können. meine Frau, die ein rührendes Verständnis und Mitgefühl aufbrachte -obwohl sie für noch mehr Spiele in unsere Wohnung kein Verständnis aufbringt – deckte Handtücher auf den Tisch und half mir, alle Teile aus zu legen und mit einem Haushaltstuch Vorder- und Rückseite abzutupfen (Nicht reiben. da ging sofort der Goldrand und Farbe von der Karte ab).
Dann zählte ich nach und -oh Wunder – nicht ein einziges Kärtchen noch ein Geldschein fehlte. Das Stühlchen für die Handwerker war zerbrochen, aber das ließ sich leimen. Die Spielregel ließ sich vorsichtig auseinander lösen und auf den Wäschetrockner hängen. Das Spielbrett hatte in seiner zusammengelegten Form die Gewalt überlebt und trocknete schnell. Spielgeld und Kärtchen wurden faltig. Beim Spielgeld erhöhte das die Griffigkeit, bei den Spielkarten war das schlecht. Also presste ich sie mit schweren Büchern. Für die zerstörte Schachtel suchte ich eine ähnlich grosse und beklebte sie dann mit den geretteten Resten der Originalschachtel. Das Spiel war wieder spielbar! Es war nicht tot, sondern nur schwer verletzt und geschädigt für den Rest seiner Tage.

So froh mich das macht:
Wieso mache ich so ein Getue um ein industrielles Massenprodukt? Wenn es sich um ein Unikat handeln würde! Ich könnte doch für 20 € ein neues bekommen.
Oder ehre ich mit meinen Empfindungen den Autor und seine Spielidee? Oder treibe ich es schon mit meiner Spielebegeisterung zu weit (Don Quichotte del la Mancha lässt grüssen)?
Versteht mich da draußen in der e – Welt jemand?

Autor: Martin Ebel Datum: 17.05.05 16:35  (Beitrag Nr. 10839 im Spielboxforum)


2. Teil: Der Albtraum

Danke der Nachfrage.
Heute habe ich es vorsichtig wieder in unserer Seniorengruppe „neue Spiele ausprobieren“ durchgespielt. Es funktioniert noch, wenn auch die Karten beim Stapeln leicht wieder auseinander fallen. Pappe erinnert sich und lässt auch nach langem Drücken sich nicht von seinen Beulen befreien.
Ich hatte es beim Göttinger Autorentreff mit, weil ich dachte, jemand wollte das arme geschundene Spiel sehen, aber es hat niemanden interessiert (kein Wunder bei all den neuen jungen Prototypen). Als ich es einem Vertreter des Hans im Glück Verlag zeigte, weil ich dachte, sie freuen sich, das die Qualität des Spiels selbst über solche Mißhandlungen triumphierte, kam nur ein verständnisloser Blick: „Versteh ich nicht. Wollen Sie jetzt vom Verlag ein neues Exemplar haben?“.

Das Schlimmste ist, diese Geschichte lässt mich nicht los:
3 Tage später träumte ich, Thomas Gottschalk hat seine Mitarbeiter darauf angesetzt, im Internet eine Suche zu starten, wo überall der Anfangssatz „Wetten, daß …“ vorkommt. Daraufhin sind sie auf meine Geschichte gestoßen und Thomas Gottschalk hat diese Wette angenommen und ich war so eitel und hab ja gesagt. Als dann eine Dampfwalze über 50 Spiele rollen sollte, hinter dem noch ein Wassersprengwagen fuhr, habe ich aufgeschrien „das könnt ihr nicht machen “ und habe mich vor die Dampfwalze geworfen. Dann bin ich aufgewacht.

Wenn jetzt das Telefon klingelt, habe ich so ein komisches Gefühl.

Autor: Martin Ebel Datum: 16.06.05 19:04  (Beitrag Nr. 10882 im Spielboxforum)


3. Teil: Das Happy End

Der 3. Teil war wirklich nicht geplant. Aber rührend und schön ist es dennoch:
Am letzten Wochenende war ein bundesweites CVJM Treffen in Kassel und der Siedler v. Catan Bus war geordert worden. Als bekennender Spielefreund war ich eingeladen, als Animateur mitzumachen. Ich durfte sogar mein Mondkälbertreiben mitbringen und aufbauen. Es war ein großer Erfolg, denn die Hitze auf dem Platz war drückend und die Menschen hatten tendenziell mehr Lust auf Geschicklichkeitsspiele als auf taktische Brettspiele, obwohl, wenn sie erst Mal ans Spielen kamen, sie sich auch für die anderen Angebote interessierten.
Eine der jungen Mitarbeiterinnen, die von Dresden aus zur Betreuung des SvC Busses nach Kassel gekommen war, hatte schon vorher gefragt, ob ich der Martin Ebel sei, der die rührende Geschichte vom „Tod eines Brettspiels“ ins Forum gestellt hatte. Nun ja, ich wars und sonnte mich bescheiden in meiner frisch gewonnenen Popularität.
Nach anstrengenden, schweißtreibenden Stunden (eifrige Kinder sind ja süß, aber springende Mondkälber vom Boden aufsammeln eine sportliche Betätigung für sich) kam dann zum Abschied die erwähnte junge Dame mit geheimnisvollem Gesichtsausdruck und kündigte noch eine Überraschung an. Da ich mein Dankeschön in Form eines SvC – Schlüsselanhänger Bus schon erhalten hatte, hoffte und erwartete ich nichts, aber war um so gespannter. Dann zog sie ihre Hand hinter dem Rücken hervor und es war ein ziemlich neues, kaum genutztes „St Petersburg“, mit dem sie ihr Mitgefühl ausdrücken und meinen Schmerz über den Beinaheverlust lindern wollte.
Natürlich war es mit der Auflage verbunden, nun dem mißhandelten alten Exemplar das Gnadenbrot zu geben (nicht zum abdecker e-bay geben) und nun das neue St. Petersburg in den Spieletreffen den Gefahren auszusetzen.
Eine Verpflichtung, die ich gerne eingehe und das neue „St. Petersburg“ hat sich als gutes kooperatives Exemplar seiner Art erwiesen. Ich habe damit meine erste Partie gewonnen. Vielleicht hat dabei auch die PC Version geholfen, die ich bis jetzt 230 x quälte, aber in dem Level gegen den wahren Walter und zweimal Münchhausen nur 6 x einen Sieg bescherte.
Ach das Leben kann so schön sein, wenn auch ein Mitspieler – Neidhammel maulte:
Typisch Martin Taktik. Immer laut jammern im Spiel und hoffen jemand tauscht was mit ihm ( oh falsches Spiel: das war beim jüngsten Siedler Turnier).

Und wenn ihr Leser alle ganz brav seit, erfahrt ihr später noch den letzten Teil: Wie alles begann!

Autor: Martin Ebel Datum: 27.06.05 12:30  (Beitrag Nr. 10891)


4. Teil: Wie alles begann

Ehe ich in die Sommerferien fahre, will ich noch meinen absolut entgültigen letzten Teil abliefern:
Wie alles begann:
Geld ist knapp. Nicht jedes Spiel, das aufgeregt im Forum diskutiert wird, kann ich mir sofort leisten. Aber wozu gibt es Geburtstage?! Zwar schenkt mir kaum jemand ein Spiel, weil alle Freunde denken, ich hätte schon alle, aber mit ein paar zufällig hingeworfenen Bemerkungen an meine liebe Ehefrau, daß ich durch die Beiträge im Forum ganz gierig auf St. Petersburg geworden bin, und, weil es noch nicht im April 04 im Handel zu finden war, ein lieber Spielefreund es sicher im Internet mitbestellen könnte, war ich ziemlich sicher, es zu meinem Geburtstag morgens schön verpackt auf dem Gabentisch vorfinden zu können. Der 2. Juni kam. Meine Frau hatte einen kleinen Geschenktisch dekoriert und viele eingepackte Gegenstände lagen auf dem Tisch. Wie sich beim Auspacken herausstellte, waren alles Bücher. Auch ein Märchenbuch war dabei, was meine Frau gerne schenkt, denn sie erzählt Märchen. Ich schenke Ihr eher zum Geburtstag Spiele. Man soll immer schenken, was man selbst gerne mag.
Brav sagte ich Danke schön, aber enttäuscht war ich schon.
Drei Wochen später beim Spieletreff erzählte ich meinen geheimen Kummer unserem interneterfahrenen Spielefreund. „Was, kein Spiel zum Geburtstag?“ „Nein; Keiner hat mir ein Spiel geschenkt.“ Ich fand zwar sein Erstaunen etwas übertrieben emotional. Schließlich hatte er mir auch keins geschenkt. Aber was solls. Eine mitleidige Seele ist besser als gar keine.
In den nächsten Tagen legte meine Frau eine seltsame Miene auf und fuhrwerkte in allen möglichen Ecken der Wohnung herum.
Und eines Morgens schenkte Sie mir einen zweiten Geburtstag. Ein eingepacktes Paket in genau der richtigen Größe. Es war St. Petersburg.
Was war passiert? Die beste Ehefrau von allen hatte tatsächlich wegen Beschaffung des gewünschten Spiels sich an unseren Spielefreund >riesenfuss< gewandt und er hatte es besorgt und sich daran beteiligt. Seine Frau war so nett und brachte es in der Zeit, wo ich an der Arbeit war, nach Hause. Sie traf aber meine Frau nicht an und übergab es einer Bekannten, die gerade an diesem Tag bei uns war. Da ihr eingeschärft wurde, daß ich es nicht zu sehen bekommen sollte, versteckte sie es sehr gut (eine Stelle, auf die man nicht kommt, weil sie so offensichtlich war). Sie vergaß, es meiner Frau zu sagen und diese wiederum dachte, mein Spielefreund hätte es wohl doch noch nicht erhalten.
Erst meine Klage und die Nachfrage meines Spielefreundes, der vermutete, es könne sich vielleicht um eine innereheliche Bestrafungsaktion meiner Frau gehandelt haben (was natürlich völlig Blödsinn ist, denn ich bin der beste Ehemann, den sie je kriegen konnte), führte dann zur Auflösung.
Ich hoffe, jetzt versteht der geneigte Leser, daß dieses Exemplar von St. Petersburg nicht irgendein Exemplar war, sondern der Emotionen wert war, die ich dann bei seiner Zerstörung empfand.

Autor: Martin Ebel Datum: 07.07.05 17:42  (Beitrag Nr. 10902)


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