Reiner Knizia

Reiner Knizia 2008 SdJ KSdJ

2008
Spiel des Jahres + Kinderspiel des Jahres
für Dr. Reiner Knizia


Jochen Corts, unser Vorsitzender, hat für den 2006 erschienenen

Knizia Almanach I

ein ausführliches Autorenporträt verfasst, das wir

mit freundlicher Genehmigung des Verlags hier zugänglich machen.

 

Der Knizia Almanach ist über die „spielbox“ zu beziehen.


Reiner KniziaErste Spiele von Reiner Knizia sind in den Jahren 1991 bis 1994 in dem kleinen Verlag Pro Ligno erschienen.

Darunter auch eine wunderschöne limitierte Spielesammlung „Allerley Spielerey“, die einige Spiele enthält, die später in einer eigenen Schachtel nochmals das Licht der Spielewelt erblickten.
Die Internet Seite von Dr. Reiner Knizia.

In der Knizia Ludographie findet man umfangreiche Informationen über seine vielen  „ausgezeichneten“ Spiele.


Reine(r)s Glück

In einem Interview hat Reiner Knizia vor ein paar Jahren einmal bekundet, der glücklichste Mensch der Welt zu sein. Natürlich kann niemand so etwas wissen, sondern allenfalls auf der Grundlage der eigenen Gefühlslage vermuten. Um zu verstehen, wie er zu dieser kühnen Ansicht gekommen ist, und zu klären, ob es sich noch immer so verhält, erscheint ein Blick auf Vita und Persönlichkeit dieser Ausnahmeerscheinung unter den Spieleautoren hilfreich.

Als Sohn eines Architekten und einer Geschäftsfrau in Illertissen/Allgäu geboren, beginnt RK schon mit zehn Jahren, sich eigene Spiele auszudenken und Eltern und Geschwister als Versuchskaninchen heranzuziehen. Nach dem Abitur und Wehrdienst beginnt er in Ulm das Studium der Wirtschaftsmathematik. Ein einjähriger Aufenthalt als Assistent an der Syracuse University in New York dürfte für seinen späteren beruflichen Werdegang als Mathematiker wie auch als Spieleautor von weichenstellender Bedeutung gewesen sein.

Zurück in seiner Heimat bringt das damals so beliebte Postspiel einen ersten intensiven Kontakt zur Spielszene. So fungiert RK von 1985 bis 1987 als Herausgeber der von ihm gegründeten und monatlich erscheinenden Zeitschrift Postspillion, für die er sogar selbst ein vielschichtiges Wirtschaftsspiel mit dem sprachspielerischen Titel Dividende et impera entwickelt. Eine erste Verschmelzung von Beruf und Berufung.

Nach Abschluss des Studiums und einer Promotion auf dem Gebiet der Allgemeinen Integrationstheorie wechselt RK beruflich zunächst nach München und 1993 weiter nach Windsor bei London, wo er noch heute seinen Wohnsitz hat, fast in Nachbarschaft zur Queen und, wichtiger noch, gleich in der Nähe zum Flughafen Heathrow. Dort schafft er auch bald den Sprung in den Vorstand eines führenden britischen Unternehmens für Baufinanzierung. Eine Position, in der er für 300 Mitarbeiter und einen Umsatz von einigen Milliarden Pfund Sterling verantwortlich zeichnet und die ihn natürlich entsprechend zeitlich absorbiert.

Was ihn freilich nicht davon abzuhalten vermag, sich nebenbei noch ca. 30 Stunden die Woche dem Entwickeln von Spielen zu widmen. Und so bringt er nach seinen beiden Erstlingen Digging bei Hexagames und Goldrush im Hans im Glück-Verlag (HiG) aus dem Jahre 1990 kontinuierlich jedes Jahr mehr hochkarätige Neuheiten zur Veröffentlichung. Daneben versteht er es, die Redaktion der spielbox derart für seine Entwürfe einzunehmen, dass daraus für sämtliche Ausgaben des Jahrgangs 1991 das Spiel im Heft ausgewählt wird, ein bislang einmaliger Vorgang.

Doch auf die Dauer muss auch einem RK eine solche Doppelbelastung zu viel werden. Und da er über all die Jahre der Versuchung zu widerstehen gewusst hat, die Ausgaben seinen hohen Einkünften anzupassen, kann er es sich mit gerade einmal 40 Jahren erlauben, nicht nur seine gut dotierte Führungsposition aufzugeben, sondern gleich seinen Beruf überhaupt an den Nagel zu hängen, um sich nach etwas ganz anderem umsehen zu können. Dabei ist zu dieser Zeit noch keinesfalls ausgemacht, dass die Entwicklung neuer Spiele seinen ganzen Lebensinhalt ausmachen wird.

Auf jeden Fall bemerkenswert, dass sich ein so rationaler, minutiös arbeitender Geist ausgerechnet auf ein derart schwer überschaubares, risikoreiches Terrain wie den Spielemarkt begibt und sich damit auch bis zu einem gewissen Grad den Launen Fortunas aussetzt. Midlife-Crisis, Realitätsverlust, Wunschdenken oder ein Fall dramatischer Selbstüberschätzung? Nichts von alledem. Vielmehr Selbstgewissheit über das eigene kreative Potential, die handwerklichen Fähigkeiten, eine Spielidee vom Rohdiamanten zum funkelnden Juwel zu schleifen, und die hochgradige Bereitschaft, sich dazu uneingeschränkt in die Pflicht zu nehmen.

Kein Hans im Glück also, der in seiner Naivität den Lohn mehrerer Jahre harter Arbeit leichtfertig verschleudert, indem er ihn gegen immer wertlosere Dinge eintauscht, bis er am Ende mit leeren Händen dasteht. Vielmehr ein unermüdlicher Schmied seines Glückes, der dieses mit sicherer Hand in die gewünschte Form zu bringen weiß.

Etwas Märchenhaftes hat sie schon, die Geschichte von einem, der auszog, mit seinen Spielen die Welt zu erobern. Im ersten Schritt ist es RK wichtig, sich zunächst einmal hierzulande einen Namen als Spieleautor zu machen. Kaum hat er dies geschafft, setzt er zum Sprung über die Grenzen ins europäische Ausland an, um schließlich den Rest der Welt ins Visier zu nehmen. Seine an anderer Stelle zu findende Ludografie spiegelt diese Entwicklung eindrucksvoll wider.

Um sich in einem anderen Umfeld neue Inspirationen zu holen, ist RK 2003/2004 für ein Jahr von Windsor aufs Festland übergesiedelt. Felix Austria, dass seine Wahl dabei auf Wien gefallen ist, woran Dagmar und Ferdinand de Cassan, die gemeinsam die Seele der österreichischen Spieleszene bilden, nicht ganz unschuldig waren. Während dieser Zeit hat RK natürlich seiner Passion weiterhin gefrönt und dabei die Gelegenheit ausgiebig genutzt, seine Prototypen im Wiener Spielekreis zu testen.

Charakteristikum vieler Knizia-Spiele ist ihre raffinierte Siegbedingung. Nicht ohne Grund hat Derek Carver, eine Koryphäe in Sachen Spielanalyse und Theoriebildung, in einem Beitrag für die vor einigen Jahren leider eingestellte Pöppel-Revue RK zum „Meister der Wertungsmethoden“ erklärt und hierfür als Musterbeispiel High Society (Ravensburger) angeführt, das jetzt wieder in neuem Gewand unter dem Titel Einfach tierisch! (Amigo) zu haben wollen müssen ist. Es geht darum, den wertvollsten Bestand an Besitzkarten zu ersteigern. Doch wer bei Ende der Partie über das geringste Restkapital verfügt, kommt gar nicht erst in die Wertung.

Als weiteres Beispiel lässt sich Das letzte Paradies (Kosmos) aus dem Jahre 1993 anführen. Bei dieser Gratwanderung zwischen Kommerz und Natur hat in jedem Fall verloren, wer weniger Kapital als zu Beginn besitzt, selbst wenn er der Reichste sein sollte. Und in Einfach genial (Kosmos) gewinnt der Spieler mit dem besten schlechtesten Ergebnis. Soll heißen: Nur der Wertungsstein auf der hintersten Position eines jeden Spielers kommt in die Wertung und erst bei Gleichstand der nächstbesser platzierte.

Einen Schwerpunkt seines Schaffens bilden Versteigerungsspiele. Dabei zeichnen sich des Doktors Spiele durchweg durch ungewöhnliche Auktionsmethoden aus. So hat er sich für Das letzte Paradies eines Prinzips bedient, das in der mathematischen Spieltheorie von dem späteren Nobelpreisträger William Spencer Vickrey zur Bestimmung des jeweils optimalen Preises entwickelt worden war. Danach macht zwar wie üblich der Meistbietende das Rennen, braucht jedoch nur einen Preis in Höhe des zweithöchsten Gebots zu zahlen.

Dagegen hat RK für Die Kaufleute von Amsterdam (Jumbo) eine Anleihe in der ökonomischen Praxis gemacht. Wie bei einer Tulpenauktion in Holland setzt der jeweilige Auktionator einen Countdown in Gang, bei dem nicht von Käuferseite geboten wird, sondern nur das aktuelle Angebot des Verkäufers angenommen werden kann. Genannt seien hier noch Modern Art (HiG), Ra (alea) und dessen entschlackte, mit des Autors Namen verschmolzene Version Razzia (Ravensburger), Traumfabrik/Fabrik der Träume (Parker), Tadsch Mahal und Palazzo (beide alea), auf die an anderer Stelle dieses Almanachs ausführlich einzugehen sein wird.

Dass sich RK aber auch auf ganz anderem Terrain sicher zu bewegen weiß, beweist das Verhandlungsspiel Quo vadis? (HiG) aus seinem Frühwerk, voriges Jahr im Kleinformat verdienstvoller Weise neu aufgelegt bei Amigo. Von permanenten Schachereien um kleine Vorteile geprägt, ist es nach Urteil des leider unlängst viel zu früh verstorbenen Kollegen Knopf ausgesprochen unkniziaisch. Lediglich die Siegbedingung lässt einen Rückschluss auf den Autor zu. Da mag einer noch so viele Lorbeerblätter gesammelt haben, nur wer im Senat vertreten ist, kommt für den Sieg überhaupt in Frage.

Bemerkenswert auch die Fähigkeit, fremde Spielideen fortzuentwickeln. So hat RK 2003 mit Die Burg die Carcassonne-Familie (HiG) um ein Mitglied erweitert, das einerseits den Grundcharakter dieses ätherischen Legespiels von Klaus-Jürgen Wrede bewahrt, andererseits aber die beiden Spieler vor eine ganz andere Aufgabe stellt. Zwei Jahre zuvor hatte er sich bereits eines anderen Neuzeitklassikers angenommen und diesem mit Hilfe eines Handcomputers neues Leben eingehaucht. Monopoly-Börse (Parker) beschränkt sich nicht darauf, Grundbesitz und Bankkonto der Spieler zu verwalten, sondern gibt ihnen die Möglichkeit, auf fremden Firmenfeldern Aktien zu erwerben und damit von den Bauaktivitäten des Hauptaktionärs zu profitieren.

Immer wieder einmal wird RK vorgehalten, bei seinen Spielen scheine deren mathematisches Gerüst durch, was bisweilen durchaus zutreffen mag, nicht selten aber auch dem Wissen entspringen dürfte, dass es sich eben um ein Spiel von ihm, dem promovierten Mathematiker, handelt. Er selbst sieht eine Verwandtschaft von Mathematik und Spielen darin, dass man sich in beiden Fällen mit Regelsystemen befasst, in denen es Lösungen zu finden gilt.

Ein anderer Vorwurf geht in die Richtung, bereits anderswo veröffentlichte Spiele wieder in neuem Gewand zu präsentieren. Zweifellos beherrscht RK wie kein anderer die Kunst des Recycelns eigener Ideen, deren Übertragung auf andere Themen und ihre mehr oder weniger große Anpassung an die Vorlieben der Bewohner anderer Kulturräume. Abgesehen davon, dass eine solche Wiederverwertung in anderen Märkten völlig legitim erscheint, gelingt es ihm immer wieder, aus der Verknüpfung mit anderen Elementen etwas ganz Neues entstehen zu lassen, was ja ohnehin einen Großteil der Entwicklung neuer Spiele ausmacht.

Inzwischen hat RK seine Duftnote in den unterschiedlichsten Genres gesetzt und dabei immer wieder auch marketingmäßig ein glückliches Händchen bewiesen. So hat er sein Blue Moon (Kosmos; 2004), nicht einfach als Spiel, sondern von vornherein als „fantastische Spielwelt“ konzipiert und dazu gewisse Anleihen bei den Sammelkartenspielen gemacht. Da agieren die beiden Kontrahenten mit unterschiedlichen Sätzen von Karten, die sie nach und nach aufnehmen, und lädt die Profi-Version dazu ein, sich sein sog. Deck aus verschiedenen Kartensets selbst zusammenzustellen.

Und obwohl das Grundspiel und die bislang erschienenen sieben Erweiterungen dergestalt vorsortiert sind, dass sie sämtlich selbständig spielbar sind, wird der Sammeltrieb im Spieler geschickt dadurch angesprochen, dass einzelne Karten jeweils anderen Sets beigemischt sind und zudem auf jeder Karte ein winziges Stück der Hintergrundgeschichte erzählt wird. Dieses Jahr nun haben Autor und Verlag mit Blue Moon City ein finessenreiches Brettspiel nachgeschoben, in dem sich vier der Völker des Kartenspiels mit ihren Sondereigenschaften wiederfinden und das aufgrund seines hohen Wiederspielwerts auch prompt für das „Spiel des Jahres“ nominiert worden ist.

Mit King Arthur und Die Insel (Ravensburger; 2003 bzw. 2005) hat RK sogar völliges Neuland erschlossen: Brettspiele mit in den Spielplan integrierter Elektronik, die in neue Erlebniswelten entführen sollen. Kaum zu ermessen, wie viel Entwicklungsarbeit von der Idee bis zum fertigen Produkt darin steckt. Mangelte es dem ersten Spiel noch an Interaktion, weiß das zweite mit seiner Mischung aus Kooperation und Konkurrenz auch in dieser Hinsicht voll zu überzeugen.

Richtig verunglückt ist RK eigentlich nur Vegas (Ravensburger) aus dem Jahre 1996, das die Erwartungen seines großkalibrigen Titels nicht ansatzweise erfüllen konnte, wozu auch Preis und Ausstattung beigetragen haben. Die veröffentlichte Meinung lautete nahezu einmütig „von banale, auf Dauer ermüdende Würfelei, die kaum Emotionen auslöst,“ über „aufgemotztes Würfelspiel ohne echte Einflussmöglichkeit“ bis hin zu „reines Würfelglücksspiel mit dem Charme und Spielspaß einer vertrockneten Rübe.“ Und auch dem Kollegen Knopf war es in der Süddeutschen Zeitung bloß eine vernichtende 1 von 6 wert.

Immerhin soll es nach Auskunft des Autors in einer überarbeiteten Version unter dem Titel Maginor von Fantasy Flight in den USA sehr erfolgreich vermarktet worden sein. „Würfeln ist vielleicht eher eine Vorliebe der Amerikaner,“ lautet sein Versuch einer Erklärung. Knizia-Fans und Komplettsammlern bietet sich derzeit die Gelegenheit, es beim Web-Händler Milan Spiele zum Schleuderpreis von 7,40 € mit deutscher Spielanleitung abzugreifen.

RK hat nicht nur immer wieder den Hobbyspieler beglückt und zahlreiche Familienspiele vorgelegt, sondern sich auch nicht geziert, Kinderspiele zu entwickeln, die ja ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen. Auch dort hat er im Rahmen des Möglichen seine persönliche Note in Form kleiner Kniffe bei Ablauf und Wertung hinterlassen, wie etwa Mago Magino (Selecta) und Bunte Runde (Winning Moves) zeigen. Frappierend zu erfahren, dass sich unter seinen zehn wirtschaftlich erfolgreichsten Spielen neben einem Kartenspiel neun Kinderspiele finden und erst auf Platz 11als erstes von der Spielszene wahrgenommenes Spiel sein preisgekröntes Herr der Ringe (Kosmos) folgt.

Zum Repertoire eines Allrounders gehören natürlich auch Lizenzthemen, bei denen für ein Spiel, das über seinen Titel bereits weitgehend vorverkauft ist, ein seinem Thema adäquates Regelwerk entworfen werden will. Hier spannt sich der Bogen vom gerade erwähnten Herr der Ringe über Janosch, Micky Maus, Playmobil und Die Sendung mit der Maus bis hin zu den Simpsons und Star Wars.

Auch literarisch ist RK nicht untätig geblieben. Eine ganze Reihe von Büchern mit einer Fülle neuer Spielideen hat er im Laufe der Jahre veröffentlicht. Hervorzuheben sind Neue Spiele im alten Rom (Hugendubel/Piatnik; 1994), Kartenspiele im Wilden Westen (Hugendubel; 1995), Das Grosse Buch der Würfelspiele (Hugendubel/Weltbild; 2000) und Kartenschach (Berliner Spielkarten; 2001).

Um diesen enormen Ausstoß von inzwischen weit über 200 Titeln zu erreichen und weiterhin zu halten, ist voller Einsatz gefragt. Zwischen vier und fünf Uhr morgens ist für RK die Nacht vorbei. „Da ist mein Kopf noch unverbraucht, und ich fühle mich auf der Höhe meiner geistigen Kräfte,“ erklärt er seine frühmorgendliche Bettflucht. Davon lässt er sich nicht einmal abhalten, wenn es am Vorabend beim intensiven Playtesting wieder ziemlich spät geworden ist, was mindestens dreimal die Woche vorkommt. Die übrige Zeit ist mit akribischer Feinarbeit und zahllosen Dienstreisen ausgefüllt.

Wüsste man es nicht besser, könnte einem glatt der Verdacht kommen, RK für eine bloße Marke zu halten, hinter der sich ein ganzes Entwicklungsteam verbirgt. Dabei ist er tatsächlich so ambitioniert, seinen Namen à la longue als Marke zu etablieren. Wenn er noch zwanzig Jahre so weitermacht wie bisher, könnte ihm dies sogar gelingen. Zumal ja das Glück bekanntlich mit die Tüchtigen ist. Derzeit führt die Eingabe seines Namens in die Trendsuche bei Google allerdings noch zu der ernüchternden Meldung: „do not have enough search volume to show graphs.“

Solch großer Aufwand verlangt natürlich auf der anderen Seite Verzicht. Verzicht auf eigene Kinder und eine feste Partnerschaft. So lebt RK nach seiner Scheidung schon seit vielen Jahren als Single, ohne daraus aber einen Leidensdruck aufzubauen, verschafft ihm doch das Erreichen seiner selbst gesetzten Ziele ein intensives Glücksgefühl. Soziale Kontakte kann er über seine Spielrunden jedenfalls ausgiebig pflegen.

Eines hat er bei allem zeitlichen Einsatz und Bemühen um inhaltliche Präzision ohnehin nicht aus den Augen verloren: „Das Spiel als solches kann noch so raffiniert sein, es ist nie so interessant wie das Gegenüber.“ Und deshalb ist es stets sein Anliegen, es anderen mit Hilfe seiner Spiele zu ermöglichen, eine glückliche Zeit miteinander zu verbringen.

Inzwischen ist RK weltweit derart gefragt und haben so viele seiner Spiele Auflagen im sechsstelligen Bereich erreicht, dass er sich den Luxus leisten kann, nur noch die Sachen anzupacken, die ihm am Herzen liegen oder in denen er eine besondere Herausforderung sieht. Außerdem hat er seit einiger Zeit eine Assistentin engagiert, um der unvermeidlichen Büroarbeit Herr zu werden, die ihn nur von seiner kreativen Tätigkeit abhielte, und um den Betrieb am Laufen zu halten, während er sich auf Reisen befindet.

Es gehört wie selbstverständlich zu seinem biographischen Inventar, dass sich RK von 1999 bis 2001 für den Vorsitz der SAZ, der Spiele Autoren Zunft, in die Pflicht hat nehmen lassen. Keine schlechte Wahl, die man damals getroffen hat, besonders, wenn man sich einmal die Bedeutung des Vornamens Reiner bewusst macht. Dieser ist nämlich als männliche Nebenform zu Rainer von althochdeutsch ragin hari abgeleitet, was so viel bedeutet wie ein göttlicher Rat im Heer.

Wenn auch nur etwas an dem Satz des griechischen Philosophen Plotin „nomen est omen“ dran sein sollte, wofür neuere Untersuchungen auf dem Gebiet der Anthroponomastik über den Einfluss des Vornamens auf das Wesen eines Menschen tatsächlich sprechen, und sei dies auch bloß im Zusammenspiel mit der modernen Gegenthese „chromosomen est omen“, dann sind analytischer Verstand, strategischer Weitblick und korrektes Auftreten in allen Lebenslagen Eigenschaften, die einem militärischen Ratgeber gut zu Gesicht stehen und in denen sich RK unschwer wiederfinden lässt.

Um restlos glücklich zu sein, fehlt RK eigentlich nur noch eines, auch wenn er dies niemals zugäbe, nämlich die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ für eines seiner Spiele. Dass er sie schon längst verdient hat, steht außer Frage. Dass es noch immer nicht dazu gelangt hat, ist fast schon tragisch zu nennen. Oft genug dicht davor war er ja, mehrfach sogar ausdrücklich nominiert. Meist aber wurden seine Spiele von der Jury als zu anspruchsvoll für breitere Käuferschichten empfunden. Was allerdings für das oben erwähnte Einfach genial nicht gelten kann.

Es spricht für seine Professionalität, wie RK mit dieser wiederholten Enttäuschung umgegangen ist. Denn dass er sich bereits mehrfach große Hoffnung gemacht hat, darf getrost angenommen werden. Auch wenn er mittlerweile aus Gründen des Selbstschutzes mit der Einschätzung kokettiert, es wohl nie zum Preisträger zu bringen. Dabei sollte freilich nicht vergessen werden, dass RK 2001 für sein grandioses, als gemeinsamen Kampf gegen das Spielsystem angelegtes Herr der Ringe immerhin mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ ausgezeichnet worden ist.

Tröstlich für ihn ist sicherlich auch, so oft wie kein anderer Autor den „Deutschen Spiele Preis“ gewonnen zu haben. Auch wenn dieser aufgrund der doch relativ kleinen Teilnehmerzahl nicht als echter Publikumspreis gelten kann, so ist er doch Ausdruck hoher Wertschätzung in Kreisen der Hobbyspieler.

So war RK erstmals 1993 mit Modern Art erfolgreich, wobei zugleich noch sein Tutanchamon (Amigo) Platz 2 belegen konnte. 1998 sollte Euphrat & Tigris (HiG) folgen. Für Ra hat es 1999 zwar nur zum 2. Platz hinter Tikal (Ravensburger) gereicht, dem damaligen „Spiel des Jahres“. Dafür konnte er im Folgejahr mit Tadsch Mahal den Spieß umdrehen und den SDJ-Preisträger Torres (Ravensburger) ausbremsen. Zuletzt lag er 2003 mit Amun-Re (HiG) in der Gunst der Spielergemeinde vorn.

Auch in anderen Ländern wie Frankreich, Japan, der Schweiz und den USA sind RK zahlreiche Preise für seine Spiele verliehen worden. Zu seiner Trophäensammlung jüngst dazugekommen ist wieder einmal die Auszeichnung „Spiel der Spiele“, die von einer Jury in Österreich alljährlich vergeben wird und die er 2003 bereits für sein innovatives King Arthur und 2004 für Einfach Genial entgegennehmen durfte, das sich inzwischen zu einem Bestseller gemausert hat. Mit dem nunmehr ausgezeichneten Familienspiel Tal der Abenteuer hat Hasbro eine neue Reihe von Autorenspielen eröffnet, die jedes Jahr um ein Spitzenspiel erweitert werden soll.

Trotz seines schon jetzt gewaltigen Œvres, das in diversen Beiträgen schwerpunktmäßig behandelt wird, ist RK während einer Signierstunde im Privatarchiv des Verfassers eine sympathische Freudsche Fehlleistung unterlaufen. Auf der Suche nach weiteren seiner Titel hat er doch tatsächlich Hol’s der Geier von Alex Randolph, das Ravensburger Bier-&-Brezel-Spiel par excellence, aus dem Regal gefischt, das er offenbar selbst gern entwickelt hätte. Kann es ein größeres und zugleich ehrlicheres Kompliment für die schöpferische Leistung eines Anderen geben?

Bleibt als Resümee festzuhalten, dass offenbar weder die weitere Entwicklung dieses Planeten noch das Auftreten von zig Millionen neuer Erdenbürger an dem persönlichen Ranking des Eingangszitats etwas geändert haben.

L.U. Dikus



 

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