Ernst Krumbein Artikel

 

Familienkartenspiele zwischen 1850 und 1. WK

 

1.    Quartettspiele in bildungsbürgerlichen Salons

2.    Zitaten und Dichterquarette

3.    Geographische Spiele zwischen 1800 und 1925

3.1    Erste geographische Kartenspiele

3.2    Ansichtskarten-Quartette

3.3    Weltreisen

3.4    Geographisches Grundwissen

3.5    Deutsche Städte

3.6    Rückgriff auf Landschaften und Regionen

3.7    Spiele für Erwachsene und die reifere Jugend

4.    Geschichtliche Spiele

5.    Naturkundliche Spiele

5.1    Blumen, Pflanzen

5.2    Tiere

5.3    Weitere naturkundliche Themen

6.    Quartette für Kinder 1902 bis 1914

6.1    Kinderwelt-Spiele

6.2    Lernen

6.3    Lieder und Reime

6.4    Märchen

6.5    Benimm-Spiele

6.6    Sport

6.7    Technik, Verkehr und Beförderung


Familienkartenspiele zwischen 1850 und 1. WK

Während Gesellschaftsspiele zwischen 1750 und 1850 noch Bestandteile der bürgerlichen Kultur sind, beginnt nach Dorothea Kühme ihre Verdrängung und Funktionalisierung für Arbeit und Erziehung mit ihrer gezielten Verbreitung und Vermarktung Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Anpassung der Gesellschaftsspiele, zunächst für die reifere Jugend gedacht, an Erziehungsziele und kindliche Spielkapazitäten läßt sie gegen Ende des Jahrhunderts zu Kinderspielen werden. Diese Tendenz sieht Kühme durch folgende Tatsachen belegt: a) Gesellschaftsspielsammlungen dieser Zeit sprechen zunehmend Kinder als ihr Publikum an, b) gleichzeitig erscheinende Benimmbücher erteilen häufig Ratschläge, wie man unvermeidliche Spielsituationen unter Wahrung von Anstand und Würde durchstehen könne, c) in der voluminöser werdenden Ratgeberliteratur werden Gesellschaftsspiele zu einem Gegenstand volkskundlicher Forschung.

 

1.    Quartettspiele in bildungsbürgerlichen Salons

Im Gegensatz dazu scheinen sich die Dichter-, Zitaten- und Komponistenquartette, sowie geographische und bibelkundliche Spiele, später mit den fortschreitenden Möglichkeiten zur preisgünstigen Bildwiedergabe auch die Kunst- und Stilformenquartette im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst vorwiegend an erwachsene Mitspieler bildungsbürgerlicher Salons gewandt zu haben. Bis in die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hinein richten sich anspruchsvolle Quartette an die reifere Jugend und an Erwachsene. Zahlreiche autobiographische Berichte von Schriftstellern belegen das ebenso wie später eigens für Kinder konzipierte Lieder-, Märchen- und Benimm-Quartette. Dabei darf offen bleiben, in welchem Maße es dem Quartettspiel gelungen ist, die Teilung der gesellschaftlichen Salons in eine singende und rezitierende Damengesellschaft und eine sich möglichst früh am Abend zum Kartenspiel in Nachbarräume zurückziehende Männerwelt aufzuhalten.

Lotterie-artige Kartenspiele, die in Wiener und deutschen Museen aus dieser Zeit vorliegen, nehmen hier eine Übergangs- und Vorbereitungsrolle ein. Gelegentlich greifen sie neben den Karten auf einen Spielplan zurück. Als Beispiel dieser häuslichen Glücksspiele, in denen es in der Regel um den Einsatz begrenzter Summen geht, werden hier die recht unterschiedlich gestalteten Regeln eines dieser Gesellschaftsspiele im Wortlaut vorgelegt. (vgl. Abschn. 3.1.2 Kleine Physiognomik der Menschenrassen)

 

Beispiel: „Die bunte Gesellschaft“
(von Heinrich Friedrich Müller, Wien (1749-1848), ohne Spielplan im Besitz des Deutschen Spielkarten-Museums Leinfelden-Echterdingen, Inv.-Nr. B886 mit deutsch-französischer Spielanleitung. Abbildungen nach einer s/w-Kopie des handkolorierten Spieles.)

Dieses Spiel besteht aus 20 Karten und einem großen Spielplan. (fehlt im Deutschen Spielkartenmuseum) Letzterer wird auf dem Tisch ausgebreitet um welchen die Spielgesellschaft platz nimmt.

Es können 4 bis 18 Personen daran teil nehmen. Jeder Mitspielende setzt ein Stück Geld (Kreutzer, Groschen u.s.w., nachdem man niedrig oder hoch spielen will) auf einem äußeren Punkt des Spielplans.

Die Karten:

Das Spiel besteht aus folgenden Blättern:
Nr.   1     Herr Urian
Nr.   2     Ein kluger Mann
Nr.   3     Ein Narr
Nr.   4     Ein Mädchen
Nr.   5     Hühner
Nr.   6     Ein Fuchs
Nr.   7     Ein Narr
Nr.   8     Eine Hexe
Nr.   9     Ein Dummkopf
Nr. 10     Ein Sultan
Nr. 11     Ein Narr
Nr. 12     Eine Prinzessin
Nr. 13     Ein Esel
Nr. 14     Ein Mohr
Nr. 15     Gänse
Nr. 16     Ein Bauer
Nr. 17     Ein Grenadier
Nr. 18     Einer, der nießet
Nr. 19     Ein Reiter
Nr. 20     Eine die lacht

werden rechts herum gegeben, und jede Person bekömmt  e i n  Blatt verdeckt, die übrigbleibenden Blätter werden unbesehen beiseite gelegt.

Ist dieses geschehen, dann wird getauscht. Die erste Person vom Kartengeber links fängt an, ihrem Nachbar links den Tausch anzutragen, dieser muß den Tausch annehmen, wenn er nicht eines von den Blättern 17, 18, 19 oder 20 hat, kann aber ebenfalls mit seinem Nachbar links wieder tauschen, und so fort bis zum Kartengeber

Hat aber jemand Nr. 17 den Grenadier, und es wird ihm der Tausch angetragen, so schreit er: Zurück! Und die rückwärts vertauschten Karten müssen wieder an ihre Eigentümer gehen, solange keine Unterbrechung früher statt fand, denn derjenige, welcher nicht getauscht, behält sein Blatt, und alle welche diesem rückwärts sitzen und früher tauschten, dürfen ihre Karten nicht wieder zurücknehmen.

Wird dem Inhaber der Karte  Nr. 18, der Tausch angeboten, so nießt er (Pretschi) und derjenige, der tauschen wollte, muß nicht allein sein Blatt behalten, sondern um einen Punkt mit seinem Geldstück auf der Spieltafel zur Hölle rücken.

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Wird dem Reiter Nr. 19, der Tausch angeboten, so sagt er: O ha! Und der tauschen Wollende muß ebenfalls um einen Punkt näher zur Hölle rücken, und auch sein Blatt behalten.

Der Inhaber von Nr. 20, lacht (ha ha ha!) wenn jemand mit ihm tauschen will, und der Ausgelachte muß, wie die vorigen, um einen Punkt näher zur Hölle rücken, und auch sein Blatt behalten.

Ist das Tauschen bis zum Kartengeber herum, dann werden alle Karten aufgedeckt, und wer die niedrigste Nummer hat, rückt um einen Punkt weiter zur Hölle.

Dann heißt es: Der Kluge weist den Dummkopf zurecht! – Ein Mädchen  hat die Narren zum Besten! – Der Fuchs predigt den Hühnern und Gänsen! – Die Hexe pantoffelt Herrn Urian! – Der Bauer muß den Esel tragen. – Ist nun der Dummkopf Nr. 9, am Zug, so muß er um einen Punkt weiter zur Hölle rücken, so ebenfalls die Narren Nr. 3, 7, 11. Die Hühner und Gänse Nr. 5, 15. – Herr Urian Nr. 1. – Der Esel Nr. 13. Ist aber das Blatt worauf eine von den obigen 5 Devisen steht nicht heraus, so bleiben jene Karten auf welche sie sich bezieht, ungestraft.

Wer beim Aufdecken der Karten Nr. 10, den Sultan hat, ist frei, wenn es auch die niedrigste Nummer wäre.

Die Prinzessin Nr. 12, zieht um einen Punkt von der Hölle zurück, wenn sie nicht ohnehin noch auf dem ersten steht, ist sie aber die niedrigste Nummer; bleibt sie ungestraft stehen.

Wer nun in der Folge des Spiels ganz mit seinem Geldstück in die Hölle gekommen, ist vom Spiel ausgeschlossen, bleibt aber auf seinem Platz sitzen, versieht es nun der Kartengeber, und gibt dieser Person eine Karte, so zieht sie sich um einen Punkt aus der Hölle zurück, der Kartengeber muß dafür um einen Punkt zur Hölle rücken. Wer zuletzt noch ganz allein außer der Hölle bleibt, hat das Spiel gewonnen, und leert die Hölle aus. Soll weitergespielt werden, so gibt diese Person von neuem die Karten.

Die Abbildungen erinnern an königliche Tabakschnupfer, an die Türken vor Wien und erwarten bereits literarische Kenntnisse der Spieler in den biedermeierlichen Fauteuils.

2.    Zitaten und Dichterquartette

Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass Damen der Gesellschaft nach einer Soiree mit geladenen Dichtern auf den üblichen Grußkärtchen prägnante Sätze zu ihrer Erinnerung notierten, um sie bei nächster Gelegenheit zum Zitieren wieder zur Hand zu haben. Auch wenn es für diesen Brauch keine Belege gibt, mag die Tatsache, dass der 1864 vom Berliner Philologen Georg Büchmann veröffentlichte Zitatenschatz, der 1871 bereits mit 284 Seiten in der 6. Auflage vorlag, Anstoß für viele damalige Leserinnen und Leser gewesen ist, sich einen persönlichen Schatz ‚Geflügelter Worte‘ anzulegen, bei deren Entstehung sie im Idealfall Zeuge waren.

Vermutet man weiter, daß diese Kärtchen in vertrautem Kreise gezeigt, sortiert und auf Frage über den Tisch gereicht wurden, ist der Schritt bis zu dem ersten Zitaten-Spiel nicht mehr weit. Ähnliches mag sich parallel dazu mit Werken der Dichter, die man gelesen oder gehört hatte, abgespielt haben.

Die mir vorliegende Ausgabe der ‚Geflügelten Worte‘ aus dem Jahre 1872 trägt auf dem Spiegel einen handschriftlichen Eintrag.

Von m. P. aus Berlin in Chàlons s/M.
erhalten im Jahre 1872. E.K[och]-H[agen
Occupations-Armee! Frankreich!

Erst satteln, dann reiten!
Doch ist zuzeiten
Verloren der Mann,
Der ohne Sattel nicht reiten kann!
Karl Weitbrecht

Dieser Eintrag belegt diese These über die Entstehungsgeschichte der Zitatenquartette zwar nicht, stützt sie aber.

Der nächste Schritt auf dem Wege zum Quartettspiel mögen geographische Quartette gewesen sein. Eine Beispieluntersuchung soll das zeigen:

 

3.    Geographische Spiele zwischen 1800 und 1925 (Beispieluntersuchung)

Dorothea Kühme verweist auf den hohen Stellenwert der geographischen Bildung im 18. Jahrhundert und zitiert: „Reisen wurde von den Aufklärern als ein wichtiges, wenn nicht gar (…) das einzige Mittel angesehen, den traditionell vorgegebenen Erfahrungsraum und damit den Erwartungshorizont zu erweitern.“ „Da das Reisen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein Privileg einer Minderheit blieb, boten Reisespiele ein beliebtes Ersatzvehikel der Ländererkundung …“. Das gilt besonders für die zahlreichen Würfellaufspiele, die mit der Erfindung der Lithographie an Zahl wie Beliebtheit zunahmen.

Vor dem Hintergrund dieser Spiele gewinnt J. H. Campes geographisches Kartenspiel (vgl. Kühme, S. 223 und unter www.gutenberg.aol.de/autoren/campe.htm im Internet) von Deutschland, das er 1784 als Leiter der Braunschweiger Schulbuchhandlung veröffentlichte, besondere Bedeutung. Fand es doch GutsMuths, der Sportpädagoge und eingefleischte Feind aller Kartenspiele 1803 für würdig, in abgewandelter Form in seinen Spiel-Almanach (GutsMuths Spielalmanach 1803, Reprint: Historische Kinderbücher, Band 15/2, Hrsg.:Prof. Dr. Horst Kunze, Berlin  – Edition Leipzig 1975) aufgenommen zu werden. Dabei geht es GutsMuths vor allem um eine neue Methodik der Geographie, in der die Zusammenhänge zwischen Landschaft, Klima, Vegetation sowie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Komponenten hervorgehoben werden.

„Der blinde Geograph“ – so nennt GutsMuths das Spiel – versteht sich als der geographische Hauptteil eines allgemeinen Schulexamens der älteren Schüler. Eine von Hand gezeichnete Landkarte Europas liegt offen auf dem Tisch. Auf die Blätter eines ‚französischen Kartenspiels‘ wurden von 1 – 10 nummeriert je zehn Namen bekannteter europäischer Städte und ihrer gerundeten Einwohnerzahl geschrieben. Eine dieser Nummern wird für das jeweilige Spiel als relevant festgelegt, danach erhält jeder Teilnehmer verdeckt gegen Einsatz (z.B. von Nüssen) eine Karte zugeteilt. Je nach Stellen der Einwohnerzahl werden wie in einer Lotterie Nüsse wieder ausgezahlt. Der Mitspieler mit der kleinsten Stadt wird für das Spiel zum Urian ernannt. Nach abnehmender Größe der Städte hat nun jeder das Land in dem, und den Fluß oder Meeresteil an dem seine Stadt liegt zu benennen und wichtige Besonderheiten vorzustellen. Für etwaige Fehler muß eine Nuß wieder in die Kasse zurückgelegt werden.

Der Urian begibt sich in der Folge mit verbundenen Augen auf der ausgelegten Europakarte auf Reisen. Dazu zog er vorher eine andere Karte mit einer vorgegebenen Reiseroute von sieben Städten. Auf der Europakarte wird der Startort der Reise mit einer Nadel markiert, ein Längenmaß (Federspule) dient als Entfernungsmesser. Jeder Wechsel in ein anderes Land oder auf See muß angekündigt werden, bei jedem Besuch einer der Reisestationen müssen Merkwürdigkeiten beschrieben werden. Jeder Fehler wird durch Paukenschlag kundgetan, kostet eine Nuss und führt zu einem helfenden Hinweis.

Im Lichte dieses Spieles erscheinen die Informationen auf den im folgenden Abschnitt besprochenen Kartenspielen als Teilinformation. Die Aufgabe eigener sprachlicher Gestaltung einer Reise und das Handicap der Wegfindung mit verbundenen Augen wurden darin wieder fallen gelassen. Die Belohnung in Spielmarken geistert dagegen noch mehr als ein Jahrhundert durch die Anleitungen.

3.1    Erste geographische Kartenspiel

Lange vor der Jahrhundertwende erscheinen informative Kartenspiele zu Staaten und Städten. Das älteste in der Sammlung befindliche Spiel, wenn man von den geographischen Lehrkarten E.Jouys (etwa 1810) absieht, stammt um 1860 aus der Schweiz. Villes d’Europe stellt aus 23 europäischen Ländern – die Türkei zählt damals auch dazu – je vier Städte ohne Bild im Buchdruck mit drei bis zwölf Zeilen Text vor. Dabei wird auf die jeweiligen Hauptstädte wenig Wert gelegt. Breslau, Köln, Magdeburg und Stettin werden als preußische Städte genannt, Württemberg wird durch Esslingen, Heilbronn, Tübingen und Ulm vertreten, als ursprüngliche Hauptstadt Bayerns wird Regensburg neben Augsburg, Nürnberg und Speyer vorgestellt. Regensburg, durch seine gewaltige Donaubrücke bekannt, soll acht Mal vom Feuer zerstört worden sein und gilt im Quartett als Zentrum deutscher Küche. Nürnberg findet dagegen als Heimatstadt Dürers und wegen seiner immensen Spielzeugfabrikation Erwähnung.

Auch ohne jede Abbildung liegt von 1880, also etwa 10 Jahre nach der Reichsgründung, ein Kartenspiel ‚Deutschlands Staaten & Städte‘ vor, das aus zwanzig deutschen Ländern und Herzogtümern in Gruppen unterschiedlicher Kartenzahl 80 Städte oder Orte mit gerundeten Einwohnerzahlen auflistet. Berlin (1.030.000 Einwohner) und die sich zwischen 1861 und 1890 auf 330 vervierfachende Einwohnerzahl des Seebades Wangeroge (Datierungshinweis: laut Spielkarte 90 Bewohner) im Großherzogtum Oldenburg bilden den Rahmen für eine Bestandsaufnahme deutscher Staaten und Städte.

Eine ähnliche Auflistung von Orten mit Angabe der Einwohnerzahlen läßt sich auch in England kurz vor der Jahrhundertwende in drei Serien nachweisen, die bis um 1930 immer wieder aufgelegt wurden. Auf dem geglätteten Karton sind allerdings im Gegensatz zu dem deutschen Spiel neben dem Ortsnamen und der Einwohnerzahl bereits holzstichartige kolorierte Lithographien von Städteansichten unter Angabe besonderer Baulichkeiten und örtlicher Produkte vermerkt – die frühe Industrialisierung in England spiegelt sich also auch im dortigen Spiel. Als weitere Besonderheit dieser Spiele muss gelten, dass jede Gruppe mit einer Art Leitkarte versehen ist, auf der die zusammengehörigen Ortschaften vermerkt sind. Für die Unterbringung der zur Gruppe zugehörigen Orte reichte der Raum auf den Karten nicht aus, zumal eine Gruppe bis zu sieben Orte umfaßte. Offenbar war nur der Spieler berechtigt, nach Orten einer Grafschaft zu fragen, deren Leitkarte er besaß. Ein viertes Spiel dieser Art aus anderem Verlag umfasst 1920 das gesamte Empire mit 56 Karten aus 10 Ländern. Aufbau und Leitkartentechnik wurden beibehalten, allerdings durch die jeweilige Landesfahne ergänzt. Als englische Besonderheit für die Zeit um 1905 muss hier noch ‚The Game of pictured Towns‘ genannt werden, das die Namen von 24 englischen Orten in Rebusform memoriert. So deuten eine Brücke und eine Wasserflasche auf Bridgewater, ein Stier (Gnu) und eine Burg auf Newcastle, während ein in die über dem Meer untergehende Sonne hinausschwimmender Schwan den Ort Swansea darstellt. Zeitlich parallel müssen in Deutschland in bildungsorientierten Familien eine Reihe handgeschriebener Unikate von Städte- oder Geographie-Quartetten nur mit Ortsnamen ohne weitere Informationen entstanden sein.

3.2    Ansichtskarten-Quartette

Der Verlag Louis Glaser in Leipzig stellt um die Jahrhundertwende rückseitig unbedruckte Postkarten mit kolorierten Schwarz/weiß-Fotos in Vierergruppen zusammen und vertreibt sie – im Buchdruck bedruckt mit Oberbegriffen und den jeweils vier zusammengehörigen Ortsnamen in der oberen Ecke – als Postkarten-Quartett (The Game of pictured Towns, BG – C.G.&S. Ltd, um 1905, 28 Blatt). Diese Spiele werden nach Begleittext als ‚Sammlung schöner Ansichtskarten aus den herrlichsten Gegenden Deutschlands gebildet und sollen außer dem Zweck als Quartettspiel auch das Auge eines jeden (er)freuen, der sein schönes Vaterland lieb hat.‘ Diesem Gedanken entspricht auch die Tatsache, dass die Karten im Orginal-Postkarten-Format vorgelegt werden.

In der Zusammenstellung und Auswahl der Motive setzen sich die Quartette Louis Glasers so in deutlichen Widerspruch zu den belehrenden oder informierenden Spielen anderer Hersteller. Beliebte Kur- und Badeorte sowie Ziele der Erholungsreisen des gehobenen Bürgertums jener Zeit stehen neben vaterländischen Gedenkstätten im Mittelpunkt.

Dieser Trend wird fast zeitgleich auch von dem Berliner Spiele-Verlag Adolf Sala (Reise-Quartettspiel, Adolf Sala, Berlin um 1900/1905) aufgenommen. Hier werden die Ansichtskarten allerdings auf ein handliches Kartenformat verkleinert und mit einem eigenen Abschnitt zur Beschriftung versehen, während bei der Motivauswahl Städte noch konsequenter gemieden werden. Hier kündigt sich auch im Titel ‚Reise-Quartett‘ an, dass die Urlaubsreisen besser situierter Bürger sowohl an die Ostseeküste als auch in die aufstrebenden Bäder auf den friesischen Inseln und ebenso in das Riesengebirge, den Harz, die Alpen und in die Schweiz en Vogue waren. Einer Untersuchung von Ralf Roth über den Einfluß der Eisenbahn auf die deutsche Gesellschaft 1800 bis 1914 ist folgendes zu entnehmen:

„Das Aufblühen der Bäder an der Nord- und Ostsee mit den erschließenden Zentren Hamburg, Berlin und Stettin im Hintergrund sowie der alpinen Reiseorte mit München als Drehscheibe standen im engen Zusammenhang mit der Ausbreitung des Eisenbahnetzes in diesen Regionen. Dies gilt es an Fallbeispielen wie München oder an Nord- bzw. Ostseebädern wie Westerland und Sassnitz konkret nachzuweisen. (H. Krohn, Welche Lust gewährt das Reisen mit Kutsche, Schiff und Eisenbahn, München 1985, u. A. Neuberger, Reisen im Wandel der Zeit. Esslingen 1922. Bereits die Zeitgenossen hatten sich diesem Thema gewidmet, so etwa Robert S. Minot, Railway Travel in Europe and America. Boston 1882. (zitiert nach Internetstudie von Ralf Roth)) Die Folgewirkungen waren beträchtlich und manchmal überraschend. So stand die Kunstszene Münchens im engen Zusammenhang zum Alpentourismus. Die wohlhabenden Reisenden bestimmten nicht nur den Kunstmarkt sondern auch die Motive. Das Aufblühen der Landschaftsmalerei stand somit in engem Zusammenhang zur Eisenbahn. Aus der Erschließung von Seebädern ergaben sich zuweilen wirtschaftliche Großprojekte. So resultierte der Bau eines Hafens mit Eisenbahnanschluß für eine Eisenbahn-fährverbindung nach Schweden in Sassnitz aus dem Wunsch nach Erschließung des Wirtschaftsraums Skandinavien. Gefördert wurde das Projekt durch die Nordlandbegeisterung Kaiser Will-helm II., der für die nötige staatliche Protektion sorgte und es sich nicht nehmen ließ, den Fährhafen Sassnitz persönlich einzuweihen.“

Es kann also nicht überraschen, dass sich eben diese Entwicklung – wenn auch zeitlich verzögert – in den Reise-Quartetten dieser Zeit spiegelt. Aber auch die erste Zeit der Kreuzfahrten schlug sich im Quartett nieder. Wir entnehmen noch 2001 dem Internet Erinnerungen an damalige Vergnügungsreisen:

„Im Jahr 1891 schlug die Stunde der Kreuzfahrt. Das Schiff „Augusta Victoria“ verließ Deutschland Richtung Orient, an Bord 241 Passagiere, die für zwei Monate eine luxuriöse Vergnügungsreise unternahmen. Die Reise war ein so großer Erfolg, dass man jetzt das erste reine Kreuzfahrtschiff plante, nur für Reisende erster Klasse – versteht sich. Die „Prinzessin Victoria Luise“ wurde gebaut und stach 1901 mit dem Ziel Karibik in See. Man schwelgte in Luxus: Kaviar, Austern und Champagner, erlesene Ausstattung der Gesellschaftsräume und Kabinen. Man trug selbstverständlich Hut und Jacket und die Damen lange Kleider, Handschuhe und Sonnenschirm. Die „rich and beautiful“ standen Schlange, um eine Reise zu buchen. Gehörte es doch jetzt zum guten Ton, eine Kreuzfahrt zu machen.“

3.3    Weltreisen

… Kreuzfahrten – und wenn nicht in Wirklichkeit, dann im Wohnzimmer in der Vorstellung beim ‚Weltreise-Quartett‘ (Spear Nr. 523.½, Nürnberg 1912/1923) des Spear-Verlages mit liebevoll eingefangener Reise-Atmosphäre, Straßenszenen und Naturschönheiten. Die unten aufgeführten Quartettgruppen und Karten benennen die Erlebnisse einer solchen Reise.

Ausreise:                Im Speisesalon, Im Reisebureau, Spiel auf Deck, Abschied von Genua,

Hafenplätze:           Port Said,Genua, Karatschi, Calcutta,

Leben im Orient:     Ägyptischer Musikant, In Colombo, Bilder am Ganges, Prozession

In Indien:                Trichinopoly, Haiderabad, Tanjore, Auf dem Irawadi

Im fernsten Osten:   In Shanghai, In Hongkong, Am Nuwara Elya, In Honolulu

In Japan:                Yokohama, Tokio, Kaffeehaus, Theehaus

In Amerika:             In New York, Capitol/Washington, Freiheitsstatue, Aufstieg z. Pikes Peak

Verkehrsmittel:        Im Ricksha, Zebugespann, Deckszene, Im Pullman

Baudenkmäler:        Sphinx u. Pyramide, Winterpalast (Ubeypur), Tabernakel, Kaschmirtor

Straßenbilder:         Chicago, Lucknow, Kairo, Burma

Naturschönheiten:   Glacier Point, Niagarafall, Der große Canon, Der Göttergarten

Heimreise:              Abfahrt New York, Leuchtturm Helgoland, Heimathafen, Wieder daheim.


3.4    Geographisches Grundwissen

Diesen zur Augenfreude an Heimat und Welt konzipierten Spielen stehen bei den bekannten Spieleverlagen Otto Maier, Adolf Sala, Joseph Scholz um 1910 und Gustav Weise schon 1894 und als Neuauflage 1910 wissensorientierte Geographie-Quartette gegenüber. Vermutlich ist das eine Folge der Veröffentlichungen vieler Naturforscher, der durch das Deutsche Reich beanspruchten Kolonien und dem so entfachten Interesse an der Welt.

Otto Maier (Geographisches Quartettspiel, Otto Maier Nr. 217, Ravensburg 1910 / 1923) verpackt seine Informationen zu höchsten Bergen, Weltmeeren oder Wüsten in einen fließenden Text und verzichtet auf jedes Bild. In der Erstauflage verziert eine Ranke den Kartenrand.
Adolf Sala (Geographisches Quartettspiel, Adolf Sala Nr. 4415, Berlin um 1910, 64 Blatt) stellt je ein Mitglied der weißen, gelben, roten und schwarzen Menschenrasse in eine ihm vertraute Umgebung und memoriert ohne Zahlenangaben Menschenrassen, höchste Berge Österreichs, Seen Italiens u.ä. und lässt dieselben vor vier sehr eindrücklichen Hintergrundbildern in jeder Quartettgruppe neu erscheinen.

Der Scholz-Verlag (Geographisches Quartett-Spiel, Jos. Scholz Nr. 5062, Mainz 1910±) beauftragt J.Cissarz, für seine Karten einen einheitlichen Jugendstil-Rahmen zu entwickeln und liefert als Zusatzinformation am Fuß der Karte unter den Namen und Zahlenangaben zu Ländern, Inseln, Flüssen, je Quartettgruppe die Lebensdaten eines Entdeckers oder Naturforschers wie Columbus, Marco Polo, Karl Peters.
Im Gustav Weise Verlag (Geographisches Quartett, Gustav Weise Nr. 398, Stuttgart 1894 und um 1910) bleibt man dem Stil der Kartengestaltung aus den Dichter- und Citatenquartetten treu und zeigt zu den ausgewählten geografischen Namen und Zahlenangaben in einem Quadrat holzstichartig den Kopf eines weitgehend beliebig zugeordneten Entdeckers oder Forschers mit Lebensdaten. Angenehm ist dabei die Angabe seines Forschungsgebietes. Es muss darauf hingewiesen werden, dass der Gustav Weise Verlag bei der Neuauflage seines Quartettes um 1910 Ländergrößen und Bevölkerungszahlen auf den neuesten Stand des Wissens brachte.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal an die Arbeit mit Landkarten bei GutsMuths erinnert. Auch sie wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts fortgeführt. Bei Dondorf geschieht das in Form eines Lottospieles (Geographisches Lotto, Bernhard Dondorf Nr. 346, Frankfurt um 1905). Auf zwölf Landkarten europäischer Länder sind die Namen von je 10 Städten durch Ziffern ersetzt. Zu jeder Stadt existiert eine kreisförmige Marke mit Nummer und Namen. Die Karteninhaber müssen die ausgerufenen Städtenamen ihrem Lande zuordnen und die Marken auf ihrer Karte plazieren. Nachdem die neugegründete Firma Otto u. Max Hausser die Produktion eigener Spiele aufgenommen hat, entsteht als ihr erstes Quartett ein recht einfaches Landkarten-Quartett (Lerne spielend Geographie (?), O. u. M. Hausser Nr. 1(?), Ludwigsburg um 1912) mit zwölf europäischen Regionen aus denen jeweils vier rot unterstrichene Städte zusammengetragen werden müssen. Auch der Scholz-Verlag entwickelt ein Landkarten-Quartett unter dem Titel ‚Vom Fels zum Meer‘ (Vom Fels zum Meer, Jos. Scholz Nr. 5214, Mainz zwischen 1913 und 1918). Jeweils vier Teilstücke eines deutschen Flusses (Donau – Inn – Rhein – Neckar – Main – Mosel – Weser – Elbe – Saale – Spree – Oder – Weichsel) sind zu erfragen und vermitteln eine Vorstellung ihres Verlaufes.
3.5    Deutsche Städte (Beispiel-Untersuchung zu Städte-Quartetten)

In den letzten Jahren vor dem ersten Weltkrieg beginnt das Interesse an der Heimat zu wachsen. Dabei rückt Architektur in den Mittelpunkt des Blickfeldes. Der Bing- (Städte-Quartett, Verlag Bing Werke A.G. Nr. 19/508, Nürnberg um 1910, nur 32 Blatt) und Spear-Verlag (Neues Städtequartett, J.W.Spear & Söhne Nr. 647, Nürnberg um 1912 verkürzte Neuauflage 1923, beide Nürnberg), machen mit je einem gezeichneten Städte-Quartett auf sich aufmerksam. Der Autor und Illustrator für Bing ist unbekannt, für J.W. Spear arbeitet wie bei vielen anderen Kartenspielen Johann Peter Werth, über den wenig zu erfahren ist. Der Scholz-Verlag verpflichtet Emil Ernst Heinsdorff, den angehenden Goldschmied und Schüler des Landschaftsmalers Hans Thoma in Karlsruhe, eine Unzahl von Städtebildern für ihn – vermutlich nach vorliegenden Postkarten (Nach Auskunft und Vermutung des in Icking bei München lebenden Sohnes von E.E.Heinsdorff) – zu zeichnen und benutzt diese Vorlagen fünfzehn Jahre zu immer wieder neu zusammengestellten Städte-Quartetten. Er berücksichtigt dabei durch den verlorenen Krieg bedingte Grenzverschiebungen

Augenmerk verlangt die Auswahl der Städte. Der Bing-Verlag stellt jeweils vier Hauptstädte, Handelsstädte, Hansastädte, Kunststädte, Kurorte, Universitätsstädte, Historische Städte und Industriestädte zu einem Quartett zusammen und wählt bekannte typische Bauwerke aus. Beispielhaft wird hier die Auswahl der Ansichten vorgestellt.

Überraschend wirkt Weimar in einem Quartett unter den Hauptstädten mit dem Gartenhaus Goethes als markantem Gebäude neben dem Brandenburger Tor für Berlin, dem alten Stuttgarter Schloß für Württembergs Hauptstadt Stuttgart und der Verfassungssäule auf dem Karlsruher Rondellplatz. Die königlichen Residenzen München und Dresden erscheinen in anderen Quartetten.

Bei den Handelsstädten gehört der Römer in Frankfurt am Main standardmäßig auch in späteren Spielen zu den abgebildeten Bauwerken. Für die Messestadt Leipzig steht nicht das alte Rathaus, sondern das neue Völkerschlachtdenkmal im Licht der aufgehenden Sonne (ein Hinweis zur Datierung). Der Blick über den Rhein auf den Kölner Dom ist eine aus anderen späteren Spielen recht vertraute Ansicht der Stadt. Nach dem Fortfall der Zollschranken erfährt Mannheim den Ausbau seines Hafens und wird damit zum Inbegriff eines Handelshafens im Inland, während Hamburg durch das 1906 von Lederer geschaffene Bismarckdenkmal als Hansestadt im Bewußtsein verankert wird. Der Bremer Roland vor dem Rathaus bleibt in fast allen späteren Spielen Merkzeichen der Stadt, das gleiche gilt für das Danziger Krantor. Aus recht unerfindlichen Gründen wird die Hansestadt Lübeck hier durch ihr älteres Burgtor, nicht durch das prägnante Holstentor repräsentiert.

Die im ersten Quartett bereits vermißte Hauptstadt des Königreiches Sachsen erscheint mit München unter den Kunststädten jeweils mit der Frauenkirche. Hans Christiansens Jugendstilhaus von der Mathildenhöhe identifiziert Darmstadt als Kunststadt. ‚Die Villa in Rosen‘, die 1901 auf der Ausstellung ‚Ein Dokument deutscher Kunst‘ als ein Beispiel für das Haus als Gesamtkunstwerk gezeigt wurde, steht für den an Kunst interessierten Bürger als Muster zeitgenössischer und vieldiskutierter Kunst um die Architekten Peter Behrens oder Van de Velde. Schließlich profiliert sich Düsseldorf mit seiner Kunsthalle als Kunststadt.

Auch wenn Kaiser Wilhelm’s Bad in Bad Homburg vor der Höhe die Teilnahme der kaiserlichen Familie am Kurbetrieb einschließt, überrascht es doch, dass mit dem Kurhaus in Wiesbaden, dem Kurpark in Baden-Baden und dem Casino in Kissingen alle genannten Kurorte, vielleicht weil die genannten Bauten durch ihren klassizistischen Baustil so bedeutsam wirken, im Südwesten des Reiches liegen. Andere Verlage berücksichtigen den Kurbetrieb an Nord- und Ostsee, in Sachsen oder Thüringen in früheren wie späteren Quartetten weitaus besser.

Ebenso vermißt man unter den Universitätsstädten Giessen, Marburg oder Göttingen. Der Innenhof des Heidelberger Schlosses steht unabdingbar für alte Burschenherrlichkeit; die Festung über Würzburg mit der bekannten Mainbrücke ist das Standardkennzeichen dieser Stadt; das Bonner Universitätsgebäude kennzeichnet eine nördlichere Universitätsstadt. Mit dem Fuchsturm über Jena wird die östlichste Universitätsstadt dieses Spieles ins Bewußtsein gerufen, unsicher ist dabei, ob der Name des Bergfriedes dreier früherer Burgen über Jena mit dem Fuchs der studentischen Verbindungen etwas zu tun hat.

Weder der Aachener Dom noch die Nürnberger Burg können als Wahrzeichen einer historischen Stadt in ihrem Alter in Zweifel gezogen werden. Konsequent steht daher für die Silberstadt Goslar die Kaiserworth als historisches Rathaus; neuere Spiele zeigen statt dessen gern die 1873-1879 wenig glücklich erneuerte Kaiserpfalz. Im Gegensatz dazu steht für Braunschweig hinter dem Wahrzeichen Heinrichs des Löwen die 1887 erneuerte Burg Dankwarderode als Zeichen für den Historismus des vergangenen 19. Jahrhunderts. Die Mehrzahl der späteren deutschen Städte-Quartette zeigt den Burglöwen Braunschweigs vor dem älteren Vieweghaus.

Essen mit einer Abbildung der Kruppwerke leitet die Reihe der Industriestädte ein. Wie die Müngstener Brücke in anderen Quartetten steht in diesem Spiel die 1900 in Betrieb genommene Schwebebahn für Elberfeld als technisch-industriell orientierter Stadt. Offensichtlich verkörpern in den Industriestädten im Osten Deutschlands noch Rathäuser den Bürgerstolz auf die Heimatstadt – so jedenfalls für Breslau und Chemnitz.

Zum Vergleich dieses Spieles mit dem mehr als doppelt so umfangreichen Spiel von Spear, das streng nach Regionen gegliedert ist, und neben Österreich und der Schweiz auch Elsaß-Lothringen mit einbezieht, findet man die Industrieorte Essen und Elberfeld, die Kurorte Baden-Baden, Kissingen und Bad Homburg v.d.H., die Universitätsstädte Bonn und Jena sowie historische Städte wie Braunschweig und Goslar nicht vertreten. Dennoch erweist sich dieses thematisch strukturierte Spiel mit wenigen Karten abgesehen vom ehemaligen Königreich Hannover und Ostpreußen als zeitgerecht und gut auf den Vertrieb in allen deutschen Stammlanden abgestellt.

Nur etwa zwei Jahre später erscheint – auch in Nürnberg – mit Jugendstilanklängen im Dessin das Städtequartett der Firma Spear. Hier sind die Quartette nach den ehemaligen Gebieten der Königreiche und Großherzogtümer gebildet. Die Freien und Hansestädte werden mit Kiel zu Hafenplätzen zusammengefasst.

Von 32 möglichen Übereinstimmungen in der Ortsauswahl beider Quartette, deren Verlagshäuser jeweils in Nürnberg liegen, sind 21 (knapp 66%) der Orte in beiden Spielen vertreten. In elf Fällen (34%) werden gleiche Motive verwendet, die bis auf eine Ausnahme nahezu den gleichen Blickwinkel benutzen. Die Illustratoren greifen also möglicherweise sogar bei der Vorlage auf die gleiche Ansichtskarte zurück.

Der Verlag Spear hat im Anschluß an den Weltkrieg von 1914 dieses Spiel mit den Orten innerhalb des Staatsgebietes der Weimarer Republik mit 48 Blatt neu aufgelegt (Die Neuauflage ist an der bedruckten Rückseite erkennbar). Zur Anpassung an die inzwischen üblichen zwölf Gruppen ist dabei auch das Ostpreußen-Quartett entfallen.

Zum besseren Vergleich werden die im Bing-Quartett auftretenden Städte im Fettdruck angegeben. Gleiche Motive sind durch einen Stern (*) gekennzeichnet, im wesentlichen ähnliche Blickrichtung durch zwei Sterne.

1        Baden:    Mannheim, Karlsruhe, Freiburg i/B., Heidelberg **

2        Bayern:    München**, Augsburg, Nürnberg, Würzburg**

3        Brandenburg:    Berlin*, Potsdam, Brandenburg, Charlottenburg

4        (Elsaß-Lothringen:    Straßburg, Kolmar, Schlettstadt, Metz)

5        Hafenplätze:    Hamburg, Bremen**, Kiel, Lübeck**

6        Hannover:    Hannover, Hildesheim, Osnabrück, Lüneburg

7        Hessen:    Frankfurt a/M., Wiesbaden**, Giessen, Darmstadt

8        (Oesterreich, Ungarn u. Tschechien:    Wien, Innsbruck, Budapest, Prag)

9        (Ostpreußen:    Königsberg, Tilsit, Memel, Allenstein)

10      Rheinland:    Cöln**, Coblenz, Aachen**, Barmen (Rheinprovinz)

11      Königreich Sachsen:    Dresden*, Leipzig, Chemnitz**, Bautzen

12      Provinz Sachsen:    Erfurt, Halberstadt, Magdeburg, Halle

13      Schlesien:    Breslau**, Liegnitz, Glogau, Görlitz

14      (Schweiz:    Bern, Luzern, Basel, Genf)

15      Thüringen:    Weimar, Wartburg, Coburg, Rudolstadt

16      Westfalen:    Dortmund, Minden, Paderborn, Münster

17      Württemberg:    Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Tübingen

18      (Westpreußen:    Danzig, Elbing, Thorn, Graudenz)

 (in Klammern die nach 1918 entfallenen Quartette)

 

Das oben bereits erwähnte Quartett „Deutsche Städte“ des Jos. Scholz Verlag (Nr. 5153 nach 1913 mit 96 Blatt, Nr. 5068 um 1910 mit 96 Blatt, Nr. 5068 um 1915 mit 96 Blatt mit Stadtbeschreibung und Gebäudeangabe, Nr. 5068 um 1923 und 1924 auf 48 Blatt reduzierte Ausgabe)‚ mit Illustrationen von Emil Ernst Heinsdorff umfasst 96 Orte in 24 Gruppen und damit noch einmal mehr Orte als das Spear-Spiel, weil es strenger nach politischen Grenzen gegliedert ist. Dadurch berücksichtigt es den Norddeutschen Raum sehr viel gründlicher und bezieht sogar das 1890 gegen Sansibar eingetauschte Helgoland mit ein. Es verzichtet gleichzeitig auf außerhalb der deutschen Grenzen im deutschen Sprach- bzw. Kulturraum gelegenen Städte.

Von 60 möglichen Übereinstimmungen in der Ortsauswahl beider Quartette sind hier 54 (also 90%) der Orte in beiden Spielen vertreten. In 21 Fällen (39%) werden gleiche Motive verwendet, die allerdings nur sechs mal den nahezu gleichen Blickwinkel benutzen. Von Heinsdorff wissen wir, dass er eine umfangreiche Postkartensammlung besaß und selbst Postkarten gestaltete, wenn auch vorwiegend mit Blumen. So ist mit großer Sicherheit anzunehmen, daß die Mehrzahl seiner Motive nach Ansichtskarten entstand. Zudem ist anzunehmen, dass es im Sinne des Vertriebs vorteilhaft war, wenn ein angemessener Teil der Abbildungen den Mitspielern bereits vertraut war.

 

1     Preußen, Prov. Ostpreußen              Königsberg, Tilsit, Insterburg, Allenstein

2     Preußen, Prov. Westpreußen           Danzig, Elbing**, Thorn, Graudenz**

3     Preußen, Prov. Brandenburg            Berlin*, Potsdam, Charlottenburg, Frankfurt/O.

4     Preußen, Prov. Pommern                 Stettin, Stralsund, Greifswald, Stolp

5     Preußen, Prov. Posen                      Posen, Gnesen, Bromberg, Hohensalza

6     Preußen, Prov. Schlesien                 Breslau**, Görlitz, Liegnitz, Gleiwitz

7     Preußen, Prov. Sachsen                  Magdeburg, Halberstadt, Erfurt, Halle**

8     Preußen, Prov. Schleswig Holstein    Schleswig, Flensburg, Altona, Kiel

9     Preußen, Prov. Hannover                 Hannover, Hildesheim, Osnabrück, Göttingen

10   Preußen, Prov. Westfalen                 Münster*, Hagen i.Westf., Bochum, Dortmund

11   Preußen, Prov. Hessen-Nassau        Cassel, Marburg, Frankfurt/M., Wiesbaden*

12   Preußen, Prov. Rheinland                 Köln*, Düsseldorf, Elberfeld-Barmen*, Duisburg

13   Königreich Bayern                           München, Nürnberg**, Augsburg, Würzburg**

14   Königreich Bayern: Pfalz                  Speyer, Neustadt, Ludwigshafen, Kaiserslautern

15   Königreich Sachsen                         Dresden, Leipzig*, Chemnitz, Plauen

16   Königreich Württemberg                   Stuttgart, Heilbronn, Ulm*, Tübingen

17   Großherzogtum Baden                     Karlsruhe*, Freiburg**, Mannheim, Heidelberg*

18   Herzogtum Hessen                           Darmstadt**, Mainz, Gießen, Worms

19   Großherzogliche Residenzstädte       Schwerin, Neu-Strelitz, Weimar, Oldenburg

20   Herzogliche Residenzstädte              Braunschweig+, Meiningen, Altenburg, Coburg

21   Herzogl.u.Fürstl.Residenzstädte         Dessau, Sondershausen, Rudolstadt*, Pyrmont

22   Fürstliche Residenzstädte                 Gera, Greiz, Bückeburg, Detmold

23   Freie u.Hansa-Städte u.Helgoland     Hamburg, Bremen*, Lübeck, Helgoland

24   Reichsland Elsaß-Lothringen             Straßburg*, Colmar**, Mülhausen, Metz

Gleiche Motive sind durch einen Stern (*) gekennzeichnet,
im wesentlichen ähnliche Blickrichtung durch zwei Sterne. (+ – wie im Bing-Quartett)

Dieses Quartett erschien in mehreren Ausführungen und Zusammenstellungen zwischen 1912 und 1924, zu Anfang mit beigefügtem ausführlichen Begleitheft mit Städteinformationen, dann nach 1912 mit Städteinformationen auf der Spielkarte, der in einer weiteren Auflage die Gebäudeangabe hinzugefügt wurde, schließlich nach Kriegsende in einer auf 48 Blatt verkürzten Ausgabe.

Nach der Zahl der Auflagen scheint es sich um ein häufig gekauftes, viel gespieltes Quartett zu handeln, das die Kenntnisse über Deutschland von den schönen Landschaften der Erholungsgebiete reicher Bürger auf breitere Schichten zu verlagern imstande war. Das bestätigt sich auch durch ein weiteres Spiel, ‚Deutsche Städte und Landschaften‘ (Deutsche Städte und Landschaften, Jos. Scholz, Mainz, 1916/1917, 96 Blatt), das nach dem Krieg die nord- und süddeutschen Landschaften getrennt in zwei Spielen unter den Titeln ‚Aus deutschen Gauen‘ (Jos. Scholz Nr. 5274, Mainz um 1922, 48 Blatt, Norddeutsche Landschaften) und ‚Wem Gott will rechte Gunst erweisen‘ (Jos. Scholz Nr. 5275, Mainz um 1922 Süddeutsche Landschaften, Schweiz u. Österreich) vertrieben wurde und wieder auf die Ansichtskarten-Quartette zurückgreift. Das letztere Spiel reiht dabei Bilder aus der Schweiz und Österreich mit ein.

Der Otto Maier Verlag in Ravensburg schließt sich dem Trend gezeichneter und farbig gestalteter geografischer Quartette nicht an. In der großen Zahl seiner Brett- und Würfelspiele mit Reisethemen kommt er dem Bedürfnis nach farbigen Bildern in anderer Weise entgegen. 1912 erscheint allerdings ein erstes Quartett deutscher Städte (Deutsche Städte, Otto Maier Nr. 239, Ravensburg 1912, 60 Blatt, Archiv Ravensburg) mit schwarz/weiß-Fotographien und kurzer sachlicher Beschreibung, das im Archiv des Otto Maier Verlages in Ravensburg vorliegt. Es umfasst noch 15 Quartette, also 60 Blatt, wie das zu dieser Zeit üblich ist. In einem Prospekt aus dem Jahre 1913 wird es mit zehn anderen als Quartettspiel für die reifere Jugend und Erwachsene vorgestellt.

Otto Maier legt dabei in fünf Quartettgruppen zwei der bei Scholz einzeln aufgeführten preußischen Provinzen zusammen, reduziert die Quartette mit herzoglichen Residenzstädten drastisch, und unterschlägt die Städte der königlich bayerischen Pfalz. So bleibt Raum für ein neues Quartett Thüringischer Staaten.

Königreich Preußen, Pr. Brandenburg: Berlin, Charlottenburg, Potsdam, Frankfurt/O.

– Pr. Pommern und Posen:                 Stettin*, Stralsund, Posen**, Bromberg

– Pr. Ost- und Westpreußen:              Königsberg, Memel, Danzig, Thorn

– Pr. Schlesien und Sachsen:             Breslau**, Görlitz, Magdeburg, Erfurt**

– Pr. Hannover u.Schleswig-Holstein:  Hannover,Osnabrück,Altona,Kiel

– Pr. Hessen-Nassau u. Westfalen:   Frankfurt/M, Kassel, Münster**, Dortmund

– Rheinprovinz:                                Köln*, Trier, Düsseldorf, Barmen-Elberfeld**

Königreich Bayern:                           München**, Nürnberg**, Augsburg*, Würzburg

Königreich Württemberg:                   Stuttgart, Ulm*, Heilbronn**, Tübingen*

Großherzogtum Baden:                     Karlsruhe*, Mannheim, Freiburg*, Heidelberg

Königreich Sachsen:                         Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen

Thüringische Staaten:                       Gera**, Gotha, Jena, Weimar

Elsaß=Lothringen:                            Straßburg*, Metz, Mülhausen, Colmar

Freie und Hansestädte:                     Hamburg=Stadt, HH.=Hafen*, Bremen*, Lübeck

Großh. und Herzogl. Residenzstädte: Darmstadt*, Oldenburg, Braunschweig, Schwerin*

56 von 60 Städten (93%) stimmen mit dem Vorgänger-Quartett bei Scholz überein, immerhin 21 der 56 Abbildungen (38%) zeigen das gleiche Motiv, 40 Städtebilder sind entfallen.

Neuauflagen erscheinen bei Otto Maier – auch wenn sie bearbeitet sind – unter der Artikelnummer der Erstauflage und sind daher nur schwer zu datieren. Eine vorliegende Neuauflage ( Städte, Otto Maier Nr. 239, Ravensburg 1924, 48 Blatt) ist mit hellgrüner Rückseite spätestens im Jahr 1925 erschienen. Das für Hamburg abgebildete Chilehaus erlaubt die Datierung nicht vor 1923. Die Neubearbeitung wurde nötig durch Ausmerzung der nach 1919 nicht mehr zu Deutschland gehörenden Städte in Elsass-Lothringen (Straßburg, Metz, Mülhausen, Colmar) und Polen bzw. unter Verwaltung des Völkerbundes (Thorn, Posen, Bromberg, Memel). Danzig wird unter Aufgabe der zweiten Hamburg-Karte den Hansestädten zugeschlagen. Weitere 17 Städte der Erstauflage werden aus dem Quartett genommen (Charlottenburg, Potsdam, Stralsund, Plauen, Gera, Gotha, Jena, Weimar, Oldenburg, Altona, Kiel, Schwerin, Trier, Heilbronn, Tübingen, Heidelberg, Freiburg) und durch neun Städte aus dem nord- und nordwestdeutschen Raum ersetzt (Bochum, Bielefeld, Duisburg, Essen, Aachen, Bonn, Koblenz, Braunschweig, Halle/S). Schließlich bekommt die deutsche Hauptstadt mit vier Karten das ihr angemessene Gewicht.

(Aus der Erstauflage beibehaltene Städte sind durch Fettdruck hervorgehoben, beibehaltene Motive durch *, annähernd gleiche Blickrichtung durch ** gekennzeichnet)

1 Berlin:                                      Schloß*, Gendarmenmarkt, Potsdamer Platz, Ullsteinhaus

2 Bayern:                                     München*, Nürnberg, Augsburg*, Würzburg

3 Württemberg, Baden:                 Stuttgart, Ulm*, Karlsruhe*, Mannheim

4 Sachsen, Thüringen:                  Dresden, Leipzig, Chemnitz, Jena*

5 Ost- u. Westpreußen, Pommern, Schlesien: Königsberg, Stettin, Breslau, Görlitz

6 Hansastädte:                            Hamburg, Bremen, Lübeck, Danzig*

7 Hessen:                                   Frankfurt/M*, Kassel, Darmstadt, Mainz

8 Brandenburg u.Prov.Sachsen:    Frankfurt/O.,Magdeburg, Halle/S, Erfurt*

9 Hannover,Braunschw.,Schlesw.-H.: Hannover, Braunschweig, Osnabrück, Kiel

10 Westfalen:                               Dortmund, Münster, Bochum, Bielefeld

11 Rheinprovinz/Indust.:                 Düsseldorf*, Duisburg, Essen, Elberfeld-Barmen**

12 Rheinprovinz/Südl.Teil:               Köln*, Aachen, Bonn, Koblenz

Der Wandel Deutschlands vom Kaiserreich zur Republik wird nicht nur durch den Austausch sämtlicher Abbildungen sehr deutlich, sondern auch durch einen Wandel der Motive verstärkt. Nur zehn der vormals 60 Motive (17%) wurden übernommen. Eine überraschende Sonderstellung nimmt dabei die Nachtaufnahme der Elberfelder Schwebebahn ein.

Dennoch sind noch 39 (87%) der 45 hier benannten Städte auch im oben vorgestellten Städte-Quartett von Scholz enthalten, alle Städte aber in den drei verglichenen Spielen der anderen Verlage. Auch wenn sich der Maier-Verlag offenbar Mühe gibt, seine ‚Deutschen Städte‘ von den Spielen anderer Verlage unterscheidbar zu machen, sind doch ein Viertel der Motive mit denen des Scholz-Verlages identisch. Ein Grundstock von Städten, die in ein deutsches Städte-Quartett gehören scheint damit trotz des überraschenden Wechsels zwischen den Ravensburger Auflagen erreicht, auch die modische Technik der Luftaufnahmen kann nicht verhindern, dass der Schatz an hervorstechenden Motiven, der von den Käufern im Spiel erwartet wird, sich über die Verlage hinweg wiederholt.

Die Neugliederung der Quartettgruppen, zahlreiche Luftaufnahmen (diese Luftaufnahmen führen vermutlich dazu, dass das Städte-Quartett vom Oberkommando der Wehrmacht mit dem 2.6.1942 für den Vertrieb gesperrt wird. Ein Vermerk auf dem Archiv-Exemplar lässt diesen Schluss zu) und Gebäude, die aus dem 20. Jahrhundert stammen, lassen eine stark überarbeitete Neuauflage erkennen. Abbildungen des Ullsteinhauses in Berlin, des Stuttgarter Bahnhofsgebäudes und der hannoverschen Stadthalle verstärken den Eindruck, es noch immer mit einem für Erwachsene konzipierten Spiel zu tun zu haben, das die technischen Errungenschaften der Neuzeit von der Aufnahmetechnik vom Zeppelin oder Flugzeug aus über die Drucktechnik (Autotypie) bis zu den Werkshallen der Essener Stahlwerke oder einer geisterhaften Nachtaufnahme der Elberfeld-Barmener Schwebebahn mit hervorragenden Aufnahmen bekannter Städtebauwerke verbindet. Nüchterne kurze Angaben von Einwohnerzahlen und wichtigen Institutionen wenden sich weiter an Erwachsene, leider fehlen die Benennungen der abgebildeten Gebäude wie in der zweiten auch in der dritten und vierten Auflage, die 1937 bzw. 1940 Änderungen durch den Anschluß Österreichs und den Polenfeldzug berücksichtigen. Auf die beiden letzteren wird in einem weiteren Kapitel einzugehen sein.

3.6    Rückgriff auf Landschaften und Regionen

Zusammen mit dem ähnlich ausgestatteten Schweizer Quartett (Nr. 242 – 1912), Schwarzwald (Nr. 258 – 1913) und Harz – Thüringen (Nr.269 – 1914) leitet Otto Maiers Städte-Quartett eine Serie regionaler Heimat-Quartette mit Schwarz/weiß-Fotos ein, die auch von Spear und Scholz in gleicher Weise bis in die dreißiger Jahre hinein produziert werden. Diese beginnende Spezialisierung eröffnet die Möglichkeit zur Serienbildung, erleichtert bei den schrumpfenden Kartenzahlen eine gewisse Vollständigkeit der ausgewählten Motive und erschließt neue Marktchancen.

Abschließend sei hier der Vollständigkeit halber angemerkt, dass von Scholz auch ähnliche von Ernst Emil Heinsdorff gestaltete Quartette (Großstädte Europas, Jos. Scholz Nr. 5153, Mainz um 1916, Ill. E.E.Heinsdorff und Europäische Städte, Jos. Scholz Nr. 5153, Mainz um 1922, Ill. E.E.Heinsdorff) zu europäischen Großstädten vorliegen, die die Aufmerksamkeit über die Grenzen des eigenen Landes erweitern halfen.

3.7    Spiele für Erwachsene und die reifere Jugend

Insgesamt mag diese Untersuchung an geographischen Spielen als Muster stehen für die Vielseitigkeit der Entwicklungen in allen anderen Themenkreisen. Das gilt vor allem für die Entwicklung vom Wort über zunehmende grafischen Ausstattung zur Fotografie. Für die bekannteren Verlage muss die Anpassung der Inhalte an Veränderungen politischer Grenzen und das Interesse der Käuferschaft festgehalten werden. Dabei kann allerdings für den Zeitraum bis zum ersten Weltkrieg nicht der These von Dorothea Kühme gefolgt werden, dass das Familienkartenspiel – und hier besonders die Städte-Quartette – sich ebenso wie die Gesellschaftsspiele in eine Domäne der Kinder verwandelt hat.

Für den Otto Maier-Verlag lässt sich das über die angesprochenen Dichter-, Zitaten- und geografischen Quartette durch eine Reihe weiterer Spiele belegen, für die 1913 eigens geworben wird. Früher war schon das Biographische Quartett (No.10 – 1885) in mehreren unterscheidbaren Auflagen erschienen. Dazu zählen das Stilformen-Quartett (No. 110 – 1903), das Musiker-Quartett (No. 130 – 1905), das Kunstquartett (No.222 – 1910), Gemälde neuerer Meister (No.243 – 1912), Geschichtliches Quartett (No. 244 – 1912), Plastische Kunst (No. 249 – 1913) und schließlich (No.260 – 1914) Zeitgenössische deutsche Schriftsteller mit je vier Werken von fünfzehn Schriftstellern, die ihre Werke zwischen 1885 und 1910 veröffentlicht haben.

Es ist keine Besonderheit des Ravensburger Verlagshauses, anspruchsvolle Spiele für die gebildete Gesellschaft zu entwickeln und zu vertreiben. Beispielsweise Gemälde-Quartette erscheinen auch bei Adolf Sala (No. 4859 Berlin um 1920, No. 4859a, Berlin  um 1910), Joseph Scholz (Nr. 5053 um 1910, Nr. 5053, um 1910, Nr. 5143 um 1915), William Spear (Nr. 576, Nürnberg 1910) und bei Gustav Weise (Nr. 661um 1915).

4    Geschichtliche Spiele
Die zehn geschichtlichen Spiele der Sammlung

  • Biographie-Spiel, Otto Maier Nr. 10, Ravensburg 1885/1905, 10×6 Blatt
  • Quartett-Gruppen Spiel, vermutl. Jos Scholz Verlag Nr. 338,.Mainz um1885, 12×4 Bl.
  • Deutschlands große Söhne, Jos. Scholz Verlag Nr. 5139, Mainz 1913, 12×4 Bl.
  • Geschichtliches Quartett, Otto Maier No. 244, Ravensburg 1912, 15×4 Bl.
  • Führer der Menschheit, Jos. Scholz Verlag Nr.5074/5075, Mainz um 1912, 20×4 Bl.
  • Großes Geschichtsquartett, Enßlin & Laiblin Nr. 749e, Reutlingen um 1912, 16×4 Bl.
  • Monarchen aller Zeiten, Kunstprägerei Buch(h?)olz i.S. 1895,16×4 Bl.
  • Berühmte Männer, Werner & Schumann Nr. 2153, Berlin  etwa 1893, 15×4 Bl.
  • Württembergisches Quartettspiel, Otto Maier No. 31, Ravensburg 1891, 18×4 Bl.
  • Die Großen ihrer Zeit, Jos. Scholz Verlag Nr. 5048, Mainz um 1910, 12×4 Bl.

zwischen 1885 und 1913 befassen sich alle mit berühmten Menschen, dabei beschränkt sich das Württembergische Quartettspiel des Hauses Otto Maier ausschließlich auf lokale Größen. In den 590 Karten der Spiele werden allerdings 336 verschiedene Persönlichkeiten aufgeführt. Nur 90 (27%) der Namen erscheinen mehrfach. Dabei reicht die Spanne von Nebukadnezar bis zu Graf Zeppelin. Offensichtlich haben die Verleger bzw. die Autoren die Spiele der Konkurrenz sehr genau gekannt, ihrer eigenen Auffassung von bedeutenden Persönlichkeiten Ausdruck gegeben oder durch andere Namen für ihr Spiel geworben.

Die oben angeführten Quartette entstehen nicht in einem luftleeren Raum. Folgt man Christa Pieskes Untersuchungen zur populären Druckgrafik der Wandbilder, findet man für die Jahre 1860 – 1890 Hinweise für ein aufkeimendes Interesse aller Schichten am Bild, hervorgerufen durch neue Drucktechniken, Werbung einschlägiger Verlage, Ausbreitung des Eisenbahnnetzes oder bedeutende Welt-, Industrie- und Gewerbeausstellungen. Kurz gefasst: „Das Bild wurde als ein zur Wohnungseinrichtung gehörendes Accessoire betrachtet.“ (Christa Pieske 1988, S. 27). Gegenseitige Wertschätzung der Wohnungseinrichtung verlangte Kenntnis dieser Kunstwerke und ihrer Künstler. „Eine nicht unwesentliche Begleiterscheinung bildeten die ‚Galerien moderner Meister‘ im
Visitenkarten- oder Kabinettformat.
“ Seit etwa 1890 waren der Verbreitung von Bilddrucken „keine Grenzen mehr gesetzt, alle Sozialschichten partizipierten an dem vielfältigen Angebot. … Man beschäftige sich ganz allgemein mit dem Phänomen Bild und wies ihm einen besonderen Stellenwert zu. … Dem Bilddruck machte die Postkarte eine gewisse Konkurrenz, sie wurde keineswegs nur zum Verschicken benutzt, sondern stand gerahmt als Stellbild auf dem Vertiko.“ So kann es einerseits nicht verwundern, dass Sammlungen von Kunstwerken wie oben aufgewiesen in das Bildungsspiel der Erwachsenen einzogen. Andrerseits verwundert es doch, dass diese Art der Beschäftigung mit Kunstwerk und Kunst im häuslichen Kreis bei Christa Pieske keine Erwähnung findet.

Überraschenderweise stammen die ältesten Spiele dieses Genres aus den USA wo die Fireside Co. in Cincinnati um 1895 eine Reihe bildungsträchtiger Spiele entwickelt, die allerdings in ihrem Aufbau stark an Rommé-Blätter angelehnt sind. Wegen ihrer andersartigen Struktur lassen sich so nur internationale Verflechtungen im Bezug auf populäre Druckgrafik festhalten. Auch in England ist durch Jaques & Son um 1910 wenigstens ein Gemälde-Quartett verlegt worden. Kennzeichnend ist, dass wie bei den englischen Städte-Quartetten eine Leitkarte benutzt wird, also auch hier eigenständige Spielstrukturen auftreten. Schließlich bleibt anzumerken, dass Scholz um den ersten Weltkrieg herum versucht hat, in Frankreich ein Quartett berühmter Gemälde mit deutscher Struktur zu vertreiben. Ein überklebtes Schachtel-Etikett, das in der Sammlung vorliegt, legt diese Vermutung nahe, beweist aber gerade dadurch, dass dieser Versuch weitgehend erfolglos blieb. Ein weiteres Spiel der Sammlung erlaubt die Vermutung, dass um 1940 – möglicherweise während der deutschen Besetzung – in Frankreich durch Fernand Nathan ein Gemälde-Quartett im Stil der dreißig Jahre älteren Scholz-Spiele verlegt wurde.

Die Übersicht der mehrfach genannten Namen zeigt die Interessen der Zeit:

Art Zahl Name

H

7

Barbarossa

M

7

Blücher

H

7

Friedrich d.Große.

H

7

Karl d.Große

H

7

Napoleon Bonaparte

M

7

Moltke

P

6

Bismarck

H

6

Wilhelm I, Kaiser

K

6

Schiller

K

5

Beethoven

H

5

Caesar

K

5

Dürer

K

5

Goethe

M

5

Wallenstein

E

5

Kolumbus

H

4

Alexander d.Große

H

4

Augustus Octavianus

E

4

Gama, Vasco da

H

4

Gustav Adolf

E

4

Humboldt, A.v.

H

4

Karl V

H

4

Ludwig XIV

H

4

Maria Theresia

K

4

Mozart

H

4

Peter d.Gr.

H

4

Rudolf I

H

4

Wilhelm II

K

4

Wagner, R.

E

3

Barth

P

3

Cicero

N

3

Franklin

P

3

Freiherr vom u.zum Stein

H

3

Friedrich Wilhelm

N

3

Galilei, G.

T

3

Gutenberg

K

3

Haydn

N

3

Kepler

N

3

Kopernikus

K

3

Lessing

E

3

Livingstone

H

3

Maximilian I

K

3

Michelangelo

M

3

Prinz Eugen

K

3

Uhland

K

3

Shakespeare

K

2

Bach

N

2

Behring

K

2

Canova

E

2

Cook, J.

K

2

Dannecker

N

2

Darwin

M

2

De Ruyter, M.

M

2

Götz v. Berlichingen

P

2

Graf C.B.di Cavour

R

2

Gregor VII.

K

2

Holbein

D

2

Kant

H

2

Katharina II

N

2

Koch, Robert

I

2

Krupp

D

2

Leibniz

N

2

Liebig

N

2

Linné

H

2

Ludwig XVI

E

2

Nachtigal

H

2

Napoleon III

M

2

Nelson, Horatio

N

2

Newton

E

2

Nordenskjöld

H

2

Otto I. der Große

P

2

Perikles

K

2

Raffael Santi

G

2

Ranke, L.

K

2

Rauch

K

2

Richter, L.

N

2

Röntgen

K

2

Rubens, P.P.

N

2

Schwarz, Berthold

E

2

Stanley, H.M.

M

2

Tegethoff, W.v.

H

2

Theoderich

K

2

Thoma, H.

N

2

Virchow

K

2

Vischer, P.

P

2

Washington, George

T

2

Watt, James

T

2

Zeppelin

M

2

Zieten

R

2

Luther

Legende:                        H = Herrscher

K = Künstler                    N = Naturwissenschaftler
M = Militärs                     E = Entdecker
P = Politiker                    D = Denker
R = Religionsführer         T = Techniker
G = Geschichtler             I = Industrielle

Mit Blick auf die Konsolidierung des Deutschen Reiches nach 1870 ist es wenig erstaunlich, dass sich das Geschichtsbewußtsein an erfolgreichen Herrschern von Cäsar über Karl den Großen bis zu Friedrich dem Großen orientiert. Die Fertigstellung des Kyffhäuserdenkmals 1896 steht sicher in

Zusammenhang mit der Häufigkeit, mit der Barbarossa in den Quartetten auftaucht. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich im Laufe des 19. Jahrhunderts führen zwangsläufig dazu, dass neben Napoleon die Generäle Blücher und später Moltke mit dem Reichsgründer Bismarck bei den bedeutenden Persönlichkeiten häufig genannt werden. Schließlich gründete sich das neue Staatsbewußtsein der Deutschen auf Kaiser Wilhelm I. Er durfte in einem geschichtlichen Rückblick zur Wende ins 20. Jahrhundert nicht fehlen. Damit sind alle Persönlichkeiten, die in den geschichtlichen Spielen besonders häufig benannt werden, erwähnt, bis auf Schiller, der wie in den Dichterquartetten deutliche Bevorzugung erfährt. Er ist der einzige der Künstler, der sich sogar vor Goethe, Beethoven und Dürer in die Phalanx der Regierenden und Heerführer vorzuschieben vermag.

Das Bewußtsein des Bildungsbürgers kommt also auch in diesen Spielen den Dichtern, Musikern und Künstlern entgegen, vergißt darüber aber nicht die große Zahl von Entdeckern und Naturforschern, die die Wende in eine neue Zeit vorbereiten halfen. Wie zeitnah diese Spiele konzipiert wurden belegen die Namen von Robert Koch und des Grafen Zeppelin.

Denkmäler spielen in der Zeit vor dem Weltkrieg offensichtlich eine bedeutsame Rolle. Auf den Bau des Kyffhäuser wurde bereits hingewiesen. Auch der Bau des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig bewegt die geschichtliche Erinnerung an die jüngere Vergangenheit breiter Schichten. So erscheint das Spiel ‚Anno 1813‘ (Gustav Weise, Nr. 681, Stuttgart um 1912, 15×2 Bl.) mit zeitgenössischen Bildern zur Erinnerung an die Drangsale und den Beitrag Hamburgs während der Kontinentalsperre. Im gleichen Jahr erscheint auch das ‚Denkmäler-Quartett‘ (O+M Hausser Nr. 601, Ludwigsburg 1912, 12×4 Bl.), das Franz Siegele in seinem unverkennbaren Stil gestaltet. In acht Quartetten werden Denkmäler großer deutscher Künstler und Erfinder aufgelistet, vier weitere künden von deutscher Vergangenheit bis hin zu Kaiser Wilhelm I.

Dass über der Besinnung auf diese deutsche Vergangenheit der Blick auf die Leistungen der weiten Welt nicht ganz verloren ging, belegt ein zweites (zeitlich etwas früheres) Quartett Franz Siegeles: ‚Die sieben Weltwunder‘ (O+M Hausser Nr. 182, Ludwigsburg 1912, 12×4 Bl., Ill.: F. Siegele). Hier werden die bekannten Weltwunder (Ägyptische Pyramiden, der Leuchtturm von Alexandria, das Mausoleum zu Halikarnassos, der Tempel der Artemis zu Ephesus, die hängenden Gärten der Semiramis mit je vier Karten und der olympische Zeus sowie der Koloß von Rhodos mit je zwei Bildern) in einen direkten Zusammenhang mit neueren Steinbauten wie dem Ulmer Münster, Schloß Neuschwanstein, amerikanischen Wolkenkratzern oder der Befreiungshalle zu Kelheim gebracht, um dann neueste Errungenschaften als neuzeitliche Wunder im Bild vorzustellen. Die Mischung der Erfindungen um den Eintritt ins 20. Jahrhundert bietet heute wie damals für Jung und Alt in ihrer Gegenüberstellung zu den antiken Weltwundern reichen Stoff zur Diskussion.

Daher seien sie hier vorgestellt:

Eisenbauten: Eisenbahnbrücke, Eiffelturm, Kranen, Brücke

Dampfkraft: Schnellzug, Dampfmaschinenanlage, S.M.Kreuzer ‚Mainz‘, Dampfwalze

Explosionsmotor:Personen-Automobil, Lastwagen, Motorboot, Geschütz-Auto

Elektrizität: Bergbahn, Licht, Funkenstation, Telephon/Telegraph

Luftschiff: Freiballon, Halbstarrer Ballon, Zeppelin, Flugmaschine

Nach diesem Nachweis, dass Quartette auch im beginnenden 20. Jahrhundert für Erwachsene konzipiert wurden, lässt sich lediglich vermerken, dass die Verlage zwischen 1890 und 1914 neben Themen für Erwachsene und die reifere Jugend zunehmend beginnen, Spiele für Kinder mit angemessenen Themen zu entwickeln. Das soll in den beiden folgenden Abschnitten an naturkundlichen und zugleich kindgemäßen Quartetten erläutert werden.

5    Naturkundliche Spiele

Nach den literarischen und den geografischen Quartetten, die offensichtlich am ehesten auf Illustrationen verzichten konnten, und den Gemälde-Quartetten, die besonders durch die aufkommende Autotypie ermöglicht wurden und den geschichtlichen Quartetten, erscheinen naturkundliche Kartenspiele etwa seit der Jahrhundertwende. Dabei ist der Anteil älterer Blumenquartette deutlich größer als der der Tierquartette. Beide Themenbereiche gewinnen allerdings erst durch Einsatz der Farbfotografie bei zunehmender Verstädterung und Naturferne in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besondere Aktualität. Zu Beginn des Jahrhunderts scheint der Wald und besonders der deutsche Wald so fest im persönlichen Erleben verankert zu sein, dass er weder für Erwachsene noch für die reifere Jugend genügend interessante Details bot. Als Ausnahme sind Pilz-Quartette zu nennen, die aber jeweils erst in der Hungerzeit von Kriegs- und Nachkriegsjahren besondere Aktualität erlangen.

5.1    Blumen, Pflanzen
Wie oben bereits bei den Landschafts- und Gemälde-Quartetten aufgewiesen, scheint auch für die Blumenquartette die Postkarte eine bedeutende Stützungsfunktion zu haben. Die Gestalter zweier bekannter Blumenquartette Catharina Klein und der bei den Städtequartetten bereits erwähnte Emil Ernst Heinsdorff sind nicht durch ihre Quartette, wohl aber durch ihre Blumenpostkarten bekannt geworden. Der Spear-Verlag läßt die für ihre Blumenmalerei bekannte C. Klein ein Quartett für sich gestalten, der Scholz-Verlag verlegt nach den Städtequartetten auch ein Blumenquartett. Von weiteren Blumenquartetten bleiben die Namen der Illustratoren unbekannt.

Eine typische Gemeinsamkeit der frühen Blumen- und Früchtequartette aber ist ihre Vielsprachigkeit. Die Namen der Blumen sind in der Regel in deutsch, französisch und englisch auf der Karte angegeben. Aus der Überlieferung meiner Familie ist bekannt, dass sich die Spieler in den Jahren des Weltkrieges (vermutlich auch vorher) vor Beginn eines Spieles einigten, welche Sprache im Spiel benutzt werden mußte, einzelnen dabei auch nach Alter Ausnahmen gestattete. Wenn man bedenkt, dass damals in begüterten Familien bei Tisch – während die Bediensteten im Raum waren – häufig in einer Fremdsprache gesprochen wurde, wirkt es wenig überraschend, wenn beim Spiel zur Übung auch so verfahren wurde. Diese Sprach- bzw. Vokabelschulung mag wohl auch Erwachsenen und der reiferen Jugend ein gewisses Training gebracht haben, wendet sich aber besonders an Jüngere. Dabei bleibt unsicher, ob die Sprachschulung in deutschen Familien oder ein erleichterter Export der Spiele in andere Länder Hauptursache für die Vielsprachigkeit der Karten war.

Die Tatsache, dass der Textsatz in Dichter- und Zitatenquartetten ursprünglich im Buchdruck, die Bilder aber als Lithographie gedruckt wurden, zeigt, wie leicht es möglich war, bei einheitlichem Bild verschiedensprachige Auflagen zu erzeugen. Das wird besonders deutlich bei der Betrachtung der Dondorfschen Spieleproduktion. Viele der meisterhaft lithographierten Spiele sind für den Export getrennt in deutsch, französisch, holländisch oder dänisch erschienen. Das gilt auch für das Blumen- und das Früchtespiel (Flora, Bernhard Dondorf Nr. 332, Frankfurt um 1920, 10×4 Bl. und Früchte aus Feld und Garten, Bernhard Dondorf Nr. 332, Frankfurt um 1925, 40 Bl.). Daher sind wir geneigt, die Vielsprachigkeit naturkundlicher Kartenspiele aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als Ausfluss bildungsbürgerlicher Bemühungen für zehn- bis fünfzehnjährige Kinder zu verstehen. Diese These wird auch durch die Tatsache unterstützt, dass die Kartenzahl bei diesen Spielen deutlich geringer ist, als die in Städte- und Dichter-Quartetten, das Spiel also übersichtlicher bleibt und schneller beendet ist.

Solche Spiele sind:

  • Frühes Schweizer Blumenquartett, Verlag und Ort unbekannt, um 1875, mit Leitkarte
  • Blumen Quartett.-Spiel, Adolf Sala Nr. 3174, Berlin um 1890, 10×4 Bl., fr-dt-engl.
  • Blumen Quartett, Werner & Schumann, Berlin um 1900, 9×4 Bl. Fr-dt-engl.
  • Blumen-Quartett, Otto Maier No. 148, Ravensburg 1907, 12×4 Bl., dt-lateinisch
  • Blumen=Quartett, J.W.Spear & Söhne Nr.236, Nürnberg-Doos um 1909, 10×4 Bl.,fr-dt-engl.
  • Blumen-Quartett, Christian Abel-Klinger Nr. 4268, Nürnberg um 1910, 12×4 Bl., dt-fr
  • Blumen-Quartett, Gustav Weise, Stuttgart um 1910, 12×4 Bl.,. dt-fr-engl
  • Blumen und Früchte-Quartett, Adolf Sala Nr. 4769, Berlin um 1910, 12×4 Bl., dt-fr-engl.
  • Blumen=Quartett, Schmidt und Römer, Leipzig um 1910, 6×4 Bl., dt-fr-engl.     Forts. unten
  • Das Pflanzenreich, Blumen und Früchte, Jos. Scholz Nr. 5020/5021, Mainz um 1912 u. 1915, Illustr.: Margret Langhein, 12×4 Bl., dt-fr
    Blumen-Quartett, O+M Hausser Nr. 188, Ludwigsburg um 1915, 48 Bl., dt-fr-engl.

Dabei ist auch das von Otto Maier unter dem Pseudonym C. Hoffmann gestaltete Blumenquartett einbezogen, das nur bei der jeweils vorliegenden Pflanze den lateinischen Namen mit angibt, sonst aber einsprachig bleibt.

Ein sehr interessantes und frühes Schweizer Spiel um 1875 ganz ohne Text fällt aus dem Rahmen dieser Überlegungen. Eine Spielanleitung liegt zwar nicht vor, aber es muss davon ausgegangen werden, dass ein Strauß zusammenzustellen ist, wie ihn eine Leitkarte mit vier Blumen zeigt.


Frühes Schweizer Blumenquartett, Verlag und Ort unbekannt, um 1875, mit Leitkarte

Drei einzeln dargestellte Blumen müssen dazu erfragt werden. Dabei ist nicht zu erkennen, welche vierte Blume im Quartett ausgelassen ist und nicht erfragt werden kann. Die Schwierigkeiten dieses Spieles müssen so groß gewesen sein, dass die Vorbesitzer die Leitkarte handschriftlich zunächst mit Abkürzungen der Blumennamen versehen haben. Dabei wurde die fehlende Blume mit vollem Namen vorgestellt (z. B.: 7 Moos, Hag(ebutte), Her(bstzeitlose), Weg(warte); bzw.: 8 Zittergras, St(ei)n(brech), Hai(de), Gl(ockenblume)). Später ist darüber hinaus noch eine Nummerierung der vierzehn Quartette mit Zahlen erfolgt. In ähnlicher Art sind in der Schweiz zwei weitere Quartette bekannt geworden.

Die Abbildungen könnten aus Bilderbogen zeitgenössischer Offizine stammen und auf stärkeren Karton gezogen worden sein.

M. König, Zürich, besitzt auch ein Lieder-Quartett gleicher Herkunft; ein weiteres mit Landschaftsformen ist im Spielzeugmuseum Zürich vorhanden.

Eine Untersuchung über die Entwicklung der Blumenquartette und die Häufigkeit des Auftretens beliebter Blumen findet sich in Abschnitt 6.7.

Deutlichen Lehr- und Lerncharakter haben auch zwei Spiele aus den USA aus dieser Zeit. 1896 erscheint das Spiel Chestnut Burrs (Fireside Game Co. Nr. 1106, Cincinnati 1896, 13×4 Bl. +Crowncard), bei dem zu dreizehn verschiedenen amerikanischen Nussarten Blätter und Nüsse je vierfach von eins bis vier nummeriert vorliegen. In einem Schnapp-Spiel würde es größte Aufmerksamkeit erfordern, die Nussarten sicher und schnell zu unterscheiden. ‚Game of Wild Flowers‘ (Chas K. Reed, Worcester, Mass 1914, 1×8+11×4 Bl.) heißt ein 1914 als ‚Educational Entertainment‘ erschienenes ‚Quartett‘ mit unterschiedlich großen Gruppen, bei dem auch gleichgroße Gruppen mit unterschiedlichen Punktzahlen belohnt werden. Auf diese Weise wird einzelnen Blumen zusätzliche Aufmerksamkeit zuteil, der Lernerfolg gesteigert.

 

5.2    Tiere

In der Frühphase der Quartette zwischen 1870 und 1914 tauchen Tierquartette in der Sammlung sehr viel seltener auf als solche mit Blumen. Natürlich könnte sich dahinter eine Unsymmetrie der Sammlung verbergen. Andrerseits ist es aber denkbar, dass das Interesse an Tieren – und hier besonders das kindliche – auf andere Weise und in früherem Alter abgedeckt wurde. Bewegliche Dinge erwecken das Interesse eines Kindes bei weitem früher als die zuvor untersuchten Blumen und Pflanzen. Tierquartette würden sich also wiederum an eine jüngere Altersstufe wenden, in der robusteres Spielzeug als Kartenspiele gefragt ist.

Möglicherweise wurde seinerzeit das Bedürfnis nach Tierspielzeug über Arche-Noah-Spielkästen abgedeckt. Spielzeugkataloge von 1905 und 1912 legen diese Vermutung nahe. So bietet der Spielwarenkatalog Meyer (Ernst Ludwig Meyer), Hildesheim 1905 neben vielen größeren Tieren, auf denen man reiten kann, beweglichen Blechtieren, einigen Kuscheltieren, Sala’s Tierquartett und einem Tierlotto immerhin 16 verschiedene Archen mit 14 – 78 Tieren an. Ein ähnliches Angebot unterbreitet Hermann Kurtz‘ Spielwarenkatalog, Stuttgart 1912. Auch hier stehen zwei Blumenquartetten nur ein Tierquartett gegenüber. Die Anzahl der Arche-Noah-Spiele ist inzwischen auf sechs verschiedene geschrumpft, dafür ist die Anzahl der Aufstell-Bauernhöfe deutlich gewachsen. Das bekannte Tier-Lotto von Eugen Oswald aus dem Scholz-Verlag, mit dem ich selbst in den Kriegsjahren des zweiten Weltkrieges noch spielen konnte, fehlt nicht.

Auch Theodor Kohlmann sieht in der kindlichen Beschäftigung mit Tieren eine Lernfunktion, die sich über das Interesse an der heimischen Tierwelt hinaus in besonderem Maße auf die ‚wilden Tiere‘ richtet. Er verweist auf verschiedene Möglichkeiten der Bekanntschaft mit exotischen Tieren im vergangenen (19.) Jahrhundert, die vom zweidimensionalen Bild über Menageriewagen, Zirkus und Zoo reichen, um schließlich die Vereinigung der wilden Tiere mit denen des Bauernhofes unter einem Dach in einem weiteren beliebten Spielzeug des 19. Jahrhunderts, der Arche Noah, zu finden. Eva Stille (Spielzeug-Tiere, Nürnberg 1989, S.81) vermerkt, dass die Arche als Aufbewahrungskasten, die vier Menschen und die Tierpaare in großer Zahl (bis zu 300!) ein ideales Aufstellspielzeug waren und sich hervorragend dazu eigneten, vom feiertäglich gekleideten Kind (das gilt besonders für Puritanerkinder als eine der wenigen erlaubten Sonntagsbeschäftigungen) auf dem Tisch aufgereiht und geordnet zu werden, während die Erzieher gleichermaßen zoologische Information wie religiöse Erbauung daran knüpfen konnten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts steht die Arche Noahs als Exportschlager der Seiffener Spielzeugindustrie immer wieder an vorderster Stelle. (Wer heute Spielzeugsammlungen in England oder Amerika besucht, wird möglicherweise erstaunt sein, in welcher Pracht und unterschiedlicher Ausführung darunter hölzerne Arche-Noah-Spielzeuge aus dem Erzgebirge vorzufinden sind. Einige Archen von etwa 1850 sind noch nahezu komplett: Mit der damals durchaus üblichen „300-Creaturen-Besatzung“, inklusive Familie Noah. wirken sie stark bespielt, sind aber dennoch von beeindruckendem Erhaltungszustand. Wie wird die Arche Noah zu zigtausend Stück nach England oder Amerika gekommen sein, so daß sie mit zum populärsten Spielzeug des 19. Jahrhunderts wurde. Welche Rolle spielten die Spielzeugverlage und die Seestadt Hamburg dabei, daß gerade erzgebirgische Archen, angefüllt mit Seiffener Reifentieren, diesen Markt überschwemmten?.)

Dieser Exkurs soll hier dreierlei zeigen. Einmal scheint wesentlich, dass der Bedarf an Tierinformation deutlich einer jüngeren Altersstufe zugeordnet wird. Das bestätigt zum zweiten unsere These, dass das Quartettspiel erst langsam nach der Jahrhundertwende beginnt sich einen Platz bei den Kindern zu erobern. Die geringere Anzahl an Tierquartetten gegenüber denen mit Blumen in der Sammlung ist also nicht zufällig. Schließlich schaffen diese Überlegungen den Hintergrund für die Vorstellung dreier recht eigenwilliger englischer und amerikanischer Kartenspiele mit Tieren, die sowohl die ältesten Tier-Kartenspiele der Sammlung sind als auch einen gewissen Bezug zu den Arche-Spielen herstellen.

Am deutlichsten wird es bei einem englischen Spiel der Firma H.P.Gibson & Sons, London aus den Jahren um 1890. Das Spiel heißt direkt ‚Noah‘s Ark Card Game‘ und enthält von siebzehn Tierarten (Cat Elternpaar 15/ Kind 30P., Giraffe 30/40P., Elephant 45/60P., Goat 20/30P., Dog 15/35P., Mouse 5/15P., Bear 35/50P., Zebra 25/35P., Fox 10/25P., Tiger 40/50P., Rhinoceros 40/55P., Horse 25/40P., Donkey 20/35P., Rabbit 10/20P., Hippopotamus 35/65P., Camel 30/45P., Lion 50/75P., Noah) jeweils Vater, Mutter und Kind. Als 52. Karte erscheint Noah. Vollständige Familien werden nach Verteilung der Karten auf dem Tisch ausgelegt, das bedeutet, dass diese Familie die Arche betreten hat. Ihnen werden die auf den Vater- und Babykarten angegebenen Punkte gutgeschrieben. Spieler, die nur ein Pärchen ohne Kind besitzen, müssen entscheiden, ob sie das Paar ohne Kind auslegen wollen, das dann die Arche nicht mehr betreten kann oder es vorläufig auf der Hand behalten. Der Inhaber der Noah-Karte ‚ertränkt‘ nun alle ‚verlassenen‘ Babys in seiner Hand, deren Eltern bereits in der Arche sind und bekommt je fünf Punkte gutgeschrieben. Nun wird reihum eine Karte verdeckt gezogen. Dabei beginnt der linke Nachbar Noah’s. Vervollständigte Familien oder Paare werden jeweils in die Arche gerettet. Bei Wechsel der Noah-Karte ertränkt der neue Besitzer seine verlassenen Babys. Das Spiel endet, wenn alle siebzehn Elternpaare die Arche betreten haben. Der Besitzer der Noah-Karte zieht jetzt jedem, der eine Baby-Karte in der Hand hat, zehn Punkte ab und schreibt sie für sich auf. – Heute mutet uns diese Peter-Spiel-Variante recht grausam an, macht sie doch die Abhängigkeit der Kinder von den Eltern überaus deutlich, lässt ihnen über die hohe Punktzahl doch erhebliche Bedeutung und Fürsorge zukommen. Es ist allerdings denkbar, dass es ohne Noah-Karte in Anlehnung an die ‚Happy-Family-Games‘ auch oft als familienfreundliches Terzett gespielt wurde.

Ähnlich wie Bernhard Dondorfs ‚Kikeriki‘, dessen Entstehungsjahr bisher nicht sicher belegt ist, entwickelt Thos. de la Rue & Co., London vor der Jahrhundertwende für die Kleinen ein Schnapp-Spiel (Animal Grab, Thos. de la Rue & Co., London um 1890, 13×4 Bl.), bei dem gleiche aufgedeckte Karten durch Nachahmung der Tierlaute angezeigt und erbeutet wurden. Dondorfs acht Tieren stehen bei de la Rue allerdings dreizehn Tiere gegenüber (Erpel, Esel, Gimpel, Hahn, Hund, Katze, Käuzchen, Kröte, Kuh, Puter, Rabe, Schaf, Schwein), die aus dem Kindern bekannten Umfeld stammen.

Sehr viel aufregender gibt sich dagegen das amerikanische Quartett ‚Wild Animals‘ (Fireside Game Co. No. 1102, Cincinnati 1895, 52 Bl.). Zweiundfünfzig exotische Tiere werden nicht in die Arche geführt, sondern in ‚Käfige‘ (Quartette) gesperrt – ein readaktioneller Versuch, Kindern den Quartettbegriff nahe zubringen. Offensichtlich wendet sich das Spiel an Kinder, die bereits lesen können, denn zu jedem Buchstaben gibt es zwei Tiere, je zwei aufeinanderfolgende Buchstaben bilden ein Quartett. So geschieht es denn, dass sich im Spiel beispielsweise Orang-Outang, Ocelot, Polar Bear und Porcupine (Stachelschwein) in einem Käfig zusammenfinden, in einem anderen Käfig mit Kangaroo, Kahau (Borneo-Affe), Lion und Leopard mag es noch blutrünstiger zugehen!. Schließlich taucht für den Buchstaben Q neben dem Quata (Waschbär) das 1878 ausgerottete Quagga auf, ein Zebra mit weißem Hinterteil, dem wir auch noch in Adolf Salas Tier-Quartett begegnen. Nach der Artikelnummer handelt es sich vermutlich um eines der ersten Kartenspiele der Firma, das sich dem Gedanken des Educationell Entertainment zurechnen lässt.

Als ausgesprochen liebevoll illustriertes Tier-Quartett ist aus deutschem Raum vor allem das Sala-Spiel ‚Aus allen Zonen‘ (Adolf Sala Nr.4317, Berlin um 1910 und noch 1922, 10×4 Bl.) zu nennen. In 7 Gruppen sind Tiere aus 7 Erdteilen in ihrer Umgebung vorgestellt – man möchte meinen, eher ein erdkundliches Spiel vor sich zu haben. Auch die Polargebiete sind mit Walfisch, Renntier, Eisbär, Seelöwe und Seebär einbezogen. Schließlich werden 3 Quartette mit eindrücklichen Raubtieren (Leopard und Löwe, Königstiger und Panther, weisser Adler, Kondor), Säugetieren (Löwenäffchen und Brüllaffe, Gazelle und Gnu, Zebra und Quagga, Vampyr)  und Vögeln (Paradiesvogel, schwarzer Schwan, Kolibris, blauer und roter Ara) hinzugefügt. Auf einem Viertel der Karten sind zur besseren Unterscheidung zwei Tiere dargestellt. Ein wenig überrascht ist man, den Kondor bei den Raubtieren zu sehen; das Krokodil schwimmt für deutsche Kinder zwar eher im Nil als in asiatischen Strömen, dennoch war dieses Spiel so beliebt, dass es noch 1922 in der Inflationszeit unverändert im Katalog (80,-M!) geführt wird.
Zwischen 1905 und 1909 ist auch das Tier-Quartett von Spear mit 60 Tieren entstanden (J.W. Spear & Söhne Nr. 522/1½, Nürnberg um 1905, 60 Bl.). Es verbindet – nach Arten geordnet – gängige Tiere der Heimat mit exotischen und lässt auch Fische, Reptilien oder Käfer nicht aus. Ohne es nachzuweisen, ist anzunehmen, dass diese Tiere in Jahrbüchern für die Jugend oder zeitgenössischen Reiseerzählungen wieder auftauchten. Sorgfältig wurde auf eine stimmige Umgebung geachtet. Von den Schirmakazien der Steppenlandschaft mit Giraffen bis hin zum Schloßpark mit steinernen Bänken bei den Pfauen strahlt das Spiel stille Schönheit aus und macht nebenbei vergleichend darauf aufmerksam, woher beispielsweise der Nashornkäfer oder der Hirschkäfer seinen Namen hat.

Deutlich an jüngere Kinder wendet sich der Gustav-Weise-Verlag mit seinem Neues Tier-Quartett (Gustav Weise No. 445, Stuttgart um 1905, 12×4 Bl. Illustr.: I.K.), das aus der gleichen Zeit stammt. Bis auf Affen, Tiger, Löwe, Krokodil und Kolibri greift es auf einen in der Heimat lebenden Tierbestand zurück. Die Tierumgebung wird skizziert und geht fließend in den gelblichen Hintergrund über. Dabei erinnern die einzelnen Abbildungen in ihrer klaren Aussage an Bilder aus einer Fibel. Man fühlt sich versucht, einfachste Fibelsätze dazu zu formulieren: Der Hund bewacht den Hof. – Die Katze fängt eine Maus.– Der Hase springt über den Weg. – Der Löwe ist König der Tiere.

Erst 1913, spät im Vergleich mit den anderen Verlagen, erscheint bei Otto Maier das erste Tierquartett – zweisprachig – deutsch-französisch – möglicherweise wegen der Verbindung und Freundschaft mit dem Zürcher Spielwarenhaus Carl Weber als Exportartikel für die Schweiz. Nach Arten gruppiert schränkt es den Tierbestand noch stärker auf den Heimatbereich ein, als die vorangegangenen Spiele und verzichtet der Klarheit wegen auch auf Hintergrundgestaltung.

Damit ist der Vorrat der Tierquartette aus diesem Zeitraum umrissen. Tierquartette wenden sich an jüngere Spielteilnehmer als die botanischen. Sie verzichten in diesem Zeitraum daher noch konsequent auf Mehrsprachigkeit. Darüber hinaus erscheint wesentlich, dass frühe Blumenquartette nie das die Pflanze umgebende Biotop mit darstellen, Tierquartette dagegen mit einer Ausnahme regelmäßig.

 

5.3    Weitere naturkundliche Themen

Zwei weitere thematisch anspruchsvollere Spiele seien hier noch vorgestellt, die die Breite naturkundlicher Themen belegen. Ein ‚Astronomisches Quartettspiel‘ von Otto Maier ( Nr. 115, Ravensburg 1904, 15×4 Bl.) macht mit dem Sternenhimmel vertraut, und zeigt wichtige Sternbilder (Andromeda, Grosser Bär, Kleiner Bär, Drache, Cassiopeja, Bootes und Krone, Fuhrmann und Perseus, Grosser Hund und Jungfrau, Kleiner Hund und grosser Löwe, Orion, Pegasus, Adler, Schwan, Leyer, Herkules, Stier, Zwillinge nebst inneren und äusseren Planeten und Mondphasen). Zwei Neuauflagen unter anderer Artikelnummer (354) erscheinen später mit eingezeichneten Symbolfiguren.

Unbelebte Materie stellen auch J.W. Spear & Söhne vor, aber nicht aus den Weiten des Weltalls, sondern als Schönheiten aus dem Inneren der Erde selbst. Sein ‚Mineralienquartett‘ (J.W.Spear & Söhne Nr. 521.1, Nürnberg 1910 im Katalog, 15×4 Bl.) zeigt in prächtigen Jugendstilrahmen vom Diamant, geschliffen und ungeschliffen, über Silikate (wie den Turmalin oder Topas), Granat-Silikate, Oxyde von Nichtmetallen (wie den Achat, Amethyst oder Bergkristall), Zeolithe, Schwefelverbindungen, Haloidsalze, Silikate und Granatsilikate, Metalle, Metalloxyde (wie den Korund), Organogene Mineralien (wie den Bernstein) die ganze Breite bis hin zu den Trümmergesteinen.

Auch dieses Quartett wendet sich nicht an Kinder, sondern an eine lernbereite Jugend zwischen interessierten Erwachsenen, die selbst etwas über Gesteine, ihre Kristalle und möglicherweise über deren Härtegrade etwas beizutragen wissen.

6    Quartette für Kinder 1902 bis 1914

Während es vor der Jahrhundertwende ausreichend Quartette für Gesellschaften von Erwachsenen und Heranwachsenden gab, lassen sich die für Kinder, von denen wir wissen, fast an einer Hand abzählen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich Kinder wie uns Nathalie Sarraute (6.1.3.5) und Günter de Bruyn (6.1.3.3) durch ihre Jugenderinnerungen verdeutlichen durchaus mit Spielen beschäftigen wollen, die die Eltern begeistern.

Neben der Situationskomik, die Frage- und Antwortspiele vermitteln und der Reaktionsfrische, die Kinder beim Schnappspiel gegenüber den Eltern Vorteile verschafft, waren Peterspiele, die in die Ständeordnung der Zeit einführten, sicher Spiele, die häufig mit und von Kindern gespielt wurden. Selbst der Vorläufer der heutigen Trumpf-Pokerspiele (4.6.2) ‚Schlagen‘ wird 1900 bereits mit normalen Skatkarten in Spielebüchern für Kinder beschrieben. Dennoch sind besondere Quartettspiele für Kinder nur spärlich bekannt. Sicher ist es ein Ruhmesblatt des Verlages und besonderer Verdienst von Carl und Paul Dondorf, schon sehr früh auf diesem Sektor tätig geworden zu sein. Bevor ihr Struwwelpeter-Quartett Nr. 314 1876 erschien, sollten wegen der kleineren Artikelnummern in schneller Folge ihre Kinderkartenspiele

  • ‚Komische Karten‘ Nr. 300 (Kinderlieder-Quartett) Bernhard Dondorf Nr. 300, Frankfurt nach 1872, Ausgabe um 1900, 13×4 Bl.,
  • ein Frage- und Antwortspiel, Nr. 305,
  • ‚Illustrierte Volkslieder‘ Nr. 306 (Kinderreime, Quartett), Bernhard Dondorf, Frankfurt vor 1877, 12×4 Bl.
  • ‚Gestörte Freuden‘ Nr. 308 (Überraschungen, Quartett), Frankfurt nach 1872, Ausgabe um 1900, 12×4 Bl.
  • ein schwieriges ‚Schnapp‘ Nr. 309 (Oberbegriffe bilden!),
  • ‚Kikeriki‘ Nr. 312 (Schnapp-Variation)

bereits erschienen sein. (Angaben aus Braun, Schriftenreihe Spielkarten, Bd. 4, Die Spielkartenfabrik B. Dondorf S. 128:+ Nachtrag) Von anderen Verlagen sind zu dieser Zeit keine vergleichbaren Spiele für Kinder bekannt geworden, wenn man von einem Peterspiel ‚Der dumme August‘ absieht, das in der Blattgestaltung und Thematik die oben genannten Dondorf’schen Kinderspiele fortsetzt, ohne dem Verlag zugeschrieben werden zu können.

‚Der dumme August‘ (Verlag, Ort unbekannt, Peterspiel vor 1900, 12×2+SP Bl. +Titelbild zum Umhängen, im Besitz von M. König, Zürich) zeigt in Bild und Vierzeiler auf je zwei Karten Attraktionen eines Wanderzirkus von der Hohen Schule über dressierte Elefanten und Pudel und lässt Clowns jonglieren, musizieren und auf einrädrigem Veloziped (noch mit Vollgummireifen) agieren. Schwarzer Peter ist der besagte dumme August, der auf dem Titelbild rückwärts auf einem Esel sitzend für den Besuch des Zirkus wirbt. Dieses Titelbild – auf Leinen gezogen – wird dem, der die Karte des dummen August am Ende besitzt, zur Strafe bis auf weiteres um den Hals gehängt.

Nach einigen Vorläufern kurz nach der Jahrhundertwende setzen sich für Kinder gestaltete Quartette seit 1907 nahezu lawinenartig durch. Dieser Dammbruch in Richtung auf das Quartett für Kinder erfolgte nicht ohne Anlass. Ellen Key erlangte mit „Barnets århundrade“ (1900) Weltruhm. 1902 erschien in Berlin die erste Auflage von „Das Jahrhundert des Kindes“ in deutscher Übersetzung; bereits 1911 lag die 15. Auflage vor, allein 1926 wurden die 34. bis 36. Auflage vertrieben. Ihr Gedankengut bereitete den Boden für eine weniger autoritär gefärbte Kindeserziehung und hatte mit Sicherheit Auswirkung auf die Spiele-Produktion der einschlägigen Verlage.

Der von Dondorf beschrittene Weg lustiger Quartette mit Liedern und Reimen wird in zahlreichen Liederquartetten und ‚Kinderwelt‘-Quartetten fortgesetzt. Nahezu alle größeren Spielwarenverlage nehmen sie in ihr Repertoire auf und ergänzen sie durch Sprachlehrspiele und Märchenquartette, bei denen sich der pädagogisch erhobene Zeigefinger weniger ausprägt, als in „Benimm“-Spielen“, Quartetten, die direkt auf gutes Verhalten der Kinder Einfluss nehmen sollen.

6.1    Kinderwelt-Spiele
Neben dem Peterspiel zum Thema Zirkus ‚Der dumme August‘ ist es wieder ein Dondorf-Quartett, das den kindlichen Vorlieben entgegenkommt: Das ‚Kasperl-Quartett‘ (Bernhard Dondorf No. 347, Frankfurt um 1910, 10×4 Blatt) erinnert an Vorstellungen von Wanderbühnen und animiert zugleich zu häuslichem Theaterspiel. In diesem Zusammenhang darf auch an weitere Produkte des Luxuspapieres erinnert werden. Papiertheater galten nach Thomas Roth (in Pieske, 1983, S. 206/7) zu den besonderen Ausstattungsstücken des gutbürgerlichen Kinderzimmers im 19. Jahrhundert. Sie waren Nachfolger des Marionetten- und Handpuppenspiels.

An wiederum jüngere Kinder wenden sich Quartette wie ‚Buntes Allerlei‘ von Dondorf oder ‚Aus aller Welt‘ von Werner & Schumann. Sie nutzen die Strukturen des Quartettes aus, um Sprachbildung durch Benutzung von Oberbegriffen zu fördern und bei beiden zusätzlich durch Zwei- bzw. Dreisprachigkeit in die ‚Salonsprachen‘ einzuführen. Die Mehrsprachigkeit erlaubt das Spiel für verschiedene, auch gemischte Altersstufen einzusetzen, die Gegenstände stammen sichtlich aus der direkten Erlebniswelt der Kinder:

 

Dondorf: Buntes Allerlei

Die Schule:                       Schule – Lehrer – Tafel – Kind

Verbotene Sachen:           Messer – Gabel – Schere – Licht

Wohnzimmer:                   Sofa-Schrank-Tisch-Stühle

Küche:                              Köchin – Herd – Töpfe – Kessel

Obst:                                 Trauben – Birnen – Kirschen – Pflaumen

Gemüse:                           Kartoffeln – Gurken – Rüben – Kohl

Bauernhof:                        Bauer – Garten – Hof – Felder

Haustiere:                         Pferd – Ziege – Schaf – Katze

Federvieh:                        Hahn – Henne – Gans – Ente

Puppen:                            Nussknacker – Hampelmann – Bleisoldaten – Puppenfräulein

Werner & Schumann: Aus aller Welt

Im Freien:                         Berge-Wälder -Wiesen-Felder

Reise:                                Auf dem Steckenpferd – Mit der Eisenbahn – Im Dampfschiff – Durch die Luft

Spielzeug:                         Pauke – Trompete – Schaukelpferd – Bleisoldaten

Großmutters Stube:           Lehnstuhl -Spinnrad -Sofa – Kachelofen

Wohnstätten:                    Schloß -Landhaus -Windmühle -Dorf

Vom Frühstückstisch:        Kuchen -Kaffeekanne -Tasse -Brezel

Für die Küche:                  Koch -Hasen -Henne -Fisch

Früchte:                            Pflaumen -Kürbis -Traube -Kirsche

Gemüse:                           Zwiebeln -Rettich -Krautkopf -Gurke

Blumen:                            Glockenblume – Aster -Sonnenblume -Wasserrose

Kleine Wesen:                  Hirschkäfer -Eidechse -Laubfrosch -Schmetterling

Das 12. Quartett ist noch unbekannt.

Mit ‚Mein erstes Bilderquartett‘ führt Otto Maier die Entwicklung 1913 einen Schritt weiter zu „ganz kleinen Kindern“, zu denen im Vorschulalter, die noch nicht lesen können. Er legt ein absolut textfreies Kartenspiel vor, in dem auch die notwendigen Fragebegriffe durch die verkleinerten Abbildungen von den anderen drei Karten ersetzt sind. Selbst die Zahlen werden konsequent durch abzählbare Punkte ergänzt. Dabei ähnelt der Begriffsbereich weitgehend dem der beiden bereits vorgestellten Spiele und erlaubt vielfältige beiläufige Zusatzinformationen.

1 Ball – Schaukelpferd – Hampelmann – Puppe          

2 Gabel – Messer – Teller – Löffel

3 Stadttor – Burg – Kirche – Bauernhaus                   

4 Pferd – Kuh – Hund – Katze

5 Löwe – Elefant – Kamel – Bär                                 

6 Adler – Storch – Hahn – Rabe

7 Rose-Himmelsschlüssel-Margerite-Stiefmütterchen   

8 Apfel – Birne – Pflaume – Kirsche

9 Soldat – Jäger – Müller – Schornsteinfeger              

10 Hammer – Zange – Säge – Nagel

11 Bett – Schrank – Stuhl – Tisch                               

12 Kutsche – Auto – Zug – Zeppelin

 

Ganz auf den Horizont bürgerlicher Berufsstände abgestellt ist dagegen das einige Jahre früher erschienene ‚Humoristische Quartett‘[7] Adolf Salas. Es versucht die Form englischer ‚Happy Family‘-Spiele aufzunehmen und ironisiert die statische spiessbürgerliche Behäbigkeit des wilhelminischen Zeitalters. An die Stelle der adligen Stände rückt der afrikanische König Tip Po Fu angesichts der vor der Jahrhundertwende nach Berlin gekommenen Stammesfürsten aus den neuen Schutzgebieten. Von einer eigenen Kinderwelt einer Ellen Key ist noch nichts zu spüren. Die Kinder wachsen in die herkömmlichen elterlichen Berufe und Stände vom Kunstmaler bis zum Professor hinein (König Tip-Po-Fu, Professor Mampe, Doktor Harm, der Kaufmann, der Wirt, der Bäcker, Conditor Süssmilch, Schneider Zwirn, Schuster Pechdraht, Schlächter Speck, der Bauer und Maler Klecks):

 

   „ Der Bauer, der bestellt sein Feld, – Die Frau den Hof in Ordnung hält,
Der Sohn, der angelt in dem Fluss, – Die Tochter Gänse hüten muss.“

 

   „ Der Schneider Zwirn ist Euch nicht fremd, – Hier näht die Frau an einem Hemd,
Der Sohn die Hosen hat zerissen, – Die Tochter näht ein Schlummerkissen.“

 

   „ Studieren will Professor Mampe – Drum bringt ihm seine Frau die Lampe, –
Der ält’ste Sohn ist schon Student, – Das Töchterlein die Noten kennt.“

 

   „ Der Maler Klecks malt Eis und Schnee, – Und seine Frau mahlt den Kaffee,
Der Sohn beschmiert des Nachbars Wände, – Das Töchterlein hat schwarze Hände.“

 

Das Spiel scheint beliebt gewesen zu sein. Das vorliegende Exemplar wirkt recht bespielt. Es wurde zusätzlich als Peterspiel und als Lotto-ähnliches Auslegespiel verlegt und hat wohl Kinder mit dem Wortwitz seiner Reime wie Erwachsene durch seine Ironie anzusprechen gewusst, war also als Familienspiel recht vielseitig.

Eine eigene Kinderwelt stellt Auguste Schiedloffs Hesta – Hundequartett mit seiner Charakterisierung zwölf verschiedener Hunderassen vor. Leider ist es bisher nicht gelungen, über Verlagsdaten der Firma Hesse & Stahl das Erscheinungsjahr zwischen 1910 und etwa 1923 genauer zu bestimmen. Auch das Märchenquartett ‚Vierling‘, das zweite bekannte Quartett des Verlages ist dabei wenig hilfreich (siehe bei 4.1.5.4). In seiner Spezialisierung und thematischen Begrenzung auf Kind und Hund scheint das erstere richtiger in den frühen Zwanziger Jahren eingeordnet, die sprachliche Gestaltung und der Tenor wohlbehüteter Kindheit, den die Verse vermitteln, lassen eher an ein Spiel aus der Zeit vor 1914 denken. Eine Kostprobe seien je vier Zweizeiler zu Neufundländer und Mops:

„Beinahe war der Ball verschwunden, –       doch hat ihn Hektor noch gefunden.

 

Gutmütig läßt sich Rolf von allen  –               beim Spiel die Quälerei gefallen.

 

Ein Ritt auf Leos Hunderücken –                    versetzt den Peter in Entzücken.

 

Viel besser ist’s, im Wagen sitzen, –              als bei dem Ziehen selbst zu schwitzen.“

 

„Der Ami frißt nur Leckerbissen. –                 Von andrer Kost will er nichts wissen.

 

Das Klärchen liebt den Blumenflor.  –           Der Mops zieht fette Würste vor.

 

Auch Schnuck besieht sich gern die Welt, –  da sie ihm oft recht gut gefällt.

 

Sein krankes Hundebein zu pflegen, –          darf Möpschen sich aufs Kissen legen.“

 

Diese Kinderwelt-Quartette hüllen das gutbürgerliche Kind zwischen 1905 und 1914 in eine wohlgeordnete, heile Welt, in der es brav spielen darf, um später in die vorgezeichneten Fußstapfen seiner Eltern zu treten. Gelegentliche Streiche werden verziehen. Eltern oder Kindermädchen stehen zu unterhaltendem wie belehrendem Spiel bereit. Sie achten allerdings auch darauf, das standesgemäße Wissen zu üben.

6.2    Lernen

Bis zum 18.4.1920 (Reichsgrundschulgesetz) konnten begüterte Eltern ihre Kinder der Schule fernhalten und sie im eigenen Hause durch Hauslehrer unterrichten lassen. Bis zu dieser Zeit können daher in Form von Spielen gestaltete Lernmittel zu Zwecken der Übung und Wiederholung wenig überraschen, greift doch die Schule in der heutigen Zeit zur Förderung von Lernbereitschaft wieder vermehrt auf Spiele zurück. In Abschnitt 1.3  wurde bereits im Zusammenhang mit Comenius und Basedow auf ABC-Karten hingewiesen und auch das Duett zum Einprägen der Buchstaben in Druck- und Schreibschrift – ‚Der Schlaumichel‘ (Verlag unbekannt, noch 1935 durch die Züllchower Anstalten vertrieben.
Jeweils ein Tierbild und die Groß- u. Kleinbuchstaben dienen der Zuordnung. Beigefügte Sprüche sorgen für die Lebendigkeit. Das Spiel macht den Eindruck bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert konzipiert worden zu sein) erwähnt. Es ähnelt ausgesprochen Wilhelm Buschs ‚Naturgeschichtlichem Alphabet für größere Kinder und solche, die es werden wollen‘, das 1860 erstmals in einer Zeitschrift, 1865 als Bilderbogen erschien. Weder die Zeichnungen noch die Verse des Schlaumichel reichen an die Qualität der Vorlage von Wilhelm Busch heran. Dennoch wurde dieses Spiel bis 1935 in Katalogen ausgerechnet eines Knabenrettungshauses der Brüderanstalt der Inneren Mission benutzt und vertrieben. Offensichtlich erfüllte es durch größere Einfachheit seine Aufgabe. Zum Vergleich werden die Texte zum Buchstaben A gegenübergestellt:

W. Busch:  Im Ameisenhaufen wimmelt es, Der Aff‘ frißt nie Verschimmeltes.

 

Schlaumichel:    Der alte Affe schaut in Ruh  dem Spiele seines Jungen zu.
Die Äffin hat mit ihrem Jungen, sich in dem Käfig müd gesprungen.

Vermutlich von C. Mickelait um 1905 entworfen wurde das Spiel ‚1, 2, 3 !‘ des Scholz-Verlages (Nr. 706, Mainz um 1908, 8×6+12 Bl., Zahlenraum 1-10) zum Erlernen der Zahlen und zum Umgang mit mit dem Zahlenraum von 1 bis 10. Es umfasst zwölf Karten mit der Ziffer 5 und je sechs Karten der übrigen Ziffern. Dabei stehen die geraden Zahlen in blauem Grund, die ungeraden in grünem. Auch ohne die leider fehlende Spielanleitung wird jedem Lehrer sofort klar, welche Möglichkeiten, spielerisch zu rechnen, diese von Ornament und Farbe her ausdrucksstarken Karten beinhalten – bis zu der Möglichkeit bei einem Peterspiel zwei oder drei Karten abzulegen, die eine bestimmte Summe oder Differenz bilden.

Versteht man das Einmaleins als das ABC der Mathematik, so muss an dieser Stelle auf ein Peterspiel von Otto Maier hingewiesen werden, das im Jahre 1907 erschien. Die Zuordnung der Kartenpaare lässt sich zwar aus den Abbildungen von zusammengehörigen Paaren– wie Schüler und Schülerin – erraten oder dem Index entnehmen, ist aber auch durch einfache Multiplikationsaufgaben und die zugehörige Lösung vorgegeben (Schwarzer Peter / L’homme noir, Otto Maier No. 149b, Ravensburg 1907, 14×2+2 SP Bl.). Methodisch geschickt wurde der Index aber in die rechte untere Ecke verlegt, wo er im Kartenfächer verdeckt wird, während die Rechenaufgabe und ihre Lösung links oben sichtbar prangen.

Sehr viel anspruchsvoller gibt sich ein Frage- und Antwortspiel des Sala-Verlages (Wer  weiß es?, Adolf Sala Nr. 4625, Berlin um 1900, 8×6 Blatt +Anleitung, Frage- und Antwortspiel für Jüngere), vermittelt aber wegen eines sehr mechanischen Spielverlaufs fast ohne Entscheidungsmöglichkeiten wenig Spielfreude. In Form von acht durch Fragen und Antworten vorgegebenen Anlegeketten zu je fünf Fragen wird Wissen vermittelt oder aufgefrischt. Ein Beispiel dieser Ketten macht den Bildungshorizont evident; die Antworten sind durch Abfolge der Kartenindexe erkennbar vorgegeben:

Antworten und                                Fragen auf einer Karte:

 

Wer ist der Erfinder der Taschenuhren?
Peter Hele (oder Henlein) 1510      – Wie heißt der längste Strom in Amerika?
Amazonasstrom                             – Wer ist der Erfinder der Buchdruckerkunst?
Johann Gutenberg (1450)               – Welcher Fisch gibt uns Kaviar?
Der Stör                                          – Wer erbaute die erste Lokomotive?
George Stephenson (1814)

 

Zur Allgemeinbildung im bürgerlichen Salon muß auch die Kenntnis von Fremdsprachen gezählt werden, heute im Zeitalter des Internet ist sie obligatorisch. Im Abschnitt 4.1 über Blumenquartette wurde bereits auf die Möglichkeit hingewiesen, neben der Freude am Spiel Blumennamen auch in einer Fremdsprache zu üben. Ein erstes fremdsprachlich orientiertes Quartett für Kinder  (Quartett-Spiel, Werner & Schumann, Berlin um 1885, 15×4 Bl. / nach RS. datiert) allerdings mit 15 Quartetten – wie es einsprachig zum Selbstherstellen bereits beschrieben wurde (3.1) – lässt sich vor 1900 datieren. Das Spiel ist im Hochdruck recht einfach mit jeweils 4 Begriffen 2-sprachig (dt/fr) gestaltet. Dabei sind die Texte in der Form des Doppelbildes gesetzt. Der jeweils oben stehende, fett gesetzte Begriff liegt vor, nach den anderen muß gefragt werden. Neben einer Trennlinie stehen die französischen Begriffe, wie sie vor und mit Kindern in der Konversation sicher häufig auftauchten.

Hund          Jahr          Westen       Asien          Frühling      Rose        Roth       Gold

Pferd           Monat        Norden        Afrika          Sommer       Tulpe         Gelb        Silber

Kuh             Woche      Süden          Amerika       Herbst          Veilchen    Grün       Kupfer

Schaf          Tag            Osten           Europa        Winter         Nelke        Blau        Eisen

Hirsch         Bauer       Birne           Morgen       Luft             London    Vater

Reh             Kaiser       Pflaume       Mittag          Erde            Paris         Mutter

Hase           König        Kirsche        Abend         Wasser        Berlin        Bruder

Fuchs          Bürger       Apfel            Nacht          Feuer          Wien         Schwester

 

Der Wandel im Zeichen des ‚Jahrhunderts des Kindes‘ geht auch an den Fremdsprachen-Quartetten nicht vorbei. Farbige Bilder kennzeichnen die einzelnen Quartettgruppen, an die Stelle einzelner Vokabeln rückt der ganze Satz, die Übersetzung ins Deutsche steht nur noch auf der jeweiligen Karte – es muß also in der Fremdsprache nach fehlenden Karten gefragt werden. So präsentiert sich das Scholz-Quartett No. 5103f ‚Parlez-vous français?‘ (Jos. Scholz No. 5103f, Mainz, 12×4 Bl., Illustr.: Britta Ellström) aus dem Jahre 1912.

Mit den Themen: Les Fleurs – La maison – Les vêtements A table – Le déjeuner – Les meubles – A la toilette – Le sac d’école – ?? – Les fruitsLes animaux domestiques – A l’école – ist es allerdings auf eine recht enge Altersgruppe abgestimmt. Mit gleichem Bildersatz existiert es auch als ‚Do you speak english?‘ unter Artikelnummer 5103e und bleibt auch in den Zwanziger Jahren als Neuauflage im Programm des Verlages.

Sehr viel trockener, lehrhaft, ja nahezu amusisch mutet dagegen ein amerikanisches Lehrspiel der Harmonie vor 1910 an‚ Musical Casino‘ (Dur/Moll-Spiel) von Carl Grimm (Theodore Presser Co., Philadelphia um 1910, 52 Bl.)

 

6.3    Lieder und Reime

Diesen lehrhaften Spielen steht zwischen 1875 und 1919 eine lange Reihe von illustrierten Quartetten mit Volks- und Kinderliedern sowie Kinderreimen gegenüber. Wenn man den Ausführungen von Ingeborg Weber-Kellermann folgt, ist es leicht nachvollziehbar, dass sich die Kinderlieder-Quartette als früheste Quartettspiele für die Kinder zeigen.

„Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich mit der langsamen Auflösung der patriarchalischen Hausfamilie und ihren arbeitsteiligen Rollen, (- wir sind ihnen vor einigen Seiten in Adolf Salas ‚Humoristischem Quartett‘ noch begegnet E.K. – ) begann sich die Einstellung zu den Kindern zu verändern. Die Hausfrau und Mutter … erweiterte nun ihre Funktionen durch die innige Zuwendung zu ihren Kindern, und erfüllte deren spezielle Lebenssituation, die Kindheit, mit kindgerechter Kleidung und dem ganzen bunten Milieu der Kinderstube, das es vorher in dieser dem kindlichen Status angepassten Weise nicht gegeben hatte. In solcher Umgebung lebte das für das bürgerliche 19. Jahrhundert typische »artige« Kind.

In diese entscheidende Epoche der Familien-Kulturgeschichte gehört auch die Entfaltung einer eigenen Kinderkultur auf dem Gebiet von Märchen und Lied. … Es ist die Zeit, in der es die Freunde Arnim und Brentano wichtig fanden, ihrer ersten großen Volksliederausgabe (1808 und 1845/46 E.K.) einen Abschnitt über Kinderlieder anzuhängen.“

„Durch den Kinderlied-Anhang an das Wunderhorn war auch diese Gattung zu einem legitimen wissenschaftlichen Sammlungsobjekt aufgestiegen und ins Bewußtsein gerückt, obgleich es ja schon seit dem 14. Jahrhundert durchaus Kinderlied- und –spieleditionen gegeben hatte.“

Neben den beiden Dondorf-Quartetten No. 300 und 306, die oben bereits erwähnt wurden, muß ein Liederquartett( Reime und Lieder ??, Verlag und Ort unbekannt um 1875, 16×4 Bl., Besitz M. König, Zürich) erwähnt werden, das durch seine eigenwillige Auswahl (Rütli-Lied, Goethes Schweizerlied) eindeutig der Schweiz zugeordnet werden muss. Da außer spärlich beschrifteten Karten nichts vorliegt, nicht einmal sicher ist, ob die auf der Rückseite der Leitkarte vermerkten Texte nicht nachträglich nach einem Begleitheft aufgebracht wurden, ist die Datierung recht schwierig.

 

Die Lieder und Verse, bei denen häufig auf spätere Strophen zurückgegriffen wurde, mußten nach den Abbildungen erkannt und erinnert werden. Texte, die bis 1830 weitgehend in Deutschland entstanden waren, mussten auch in obigen Abb., „Frühes Schweizer Lieder-Quartett“.
der Schweiz so bekannt geworden sein, dass ein Spiel mit ihnen möglich war. Eine Datierung erfolgt so nach Inhalt und bildlicher Darstellung auf die Zeit um 1875. Dabei muss natürlich eingeräumt werden, dass dieses Spiel nur dann für Kinder geeignet war, wenn diese Texte häufig auch im Kreise der Familie gesungen bzw. rezitiert wurden. Das Spiel enthält Bilder zu folgenden Texten:

 1 Am Brunnen vor dem Thore – Da steht ein Lindenbaum … (W.Müller, 1794-1827)
2 Der Mond der scheint / Das Kindlein weint / Die Glock´ schlägt zwölf
Des Knaben Wunderhorn: Ammenuhr)
3 Die schönste Jungfrau sitzet / Dort oben wunderbar … (Heine, 1824)
4 Droben stehet die Kapelle / Schauet still ins Thal herab … (L.Uhland)
5 Drum Rütli sey freundlich gegrüssett, / Dein Name soll nimmer
(Rütlilied: J.G.Krauer / Greith / 1820, Rütli seit 1860 Nationaleigentum))
6 Drum hüt di vor ´em böse Ding, / ´s bringt numme Weh und Ach …(J.P. Hebel +1826)
7 Ein Fichtenbaum steht einsam / Im Norden auf kahler Höh´… (Heine)
8 Es wandelt still und einsam / Im Wald mein liebes Kind …
9 Räthsel:  Im Lenz erquick´ ich dich; / Im Sommer kühl ich dich, … (Der Baum!)
10 Im Walde möcht ich leben / Zur heissen Sommerszeit / Der Wald …
(Hoffmann v. Fallersleben, 1798-1874)
11 Imme Garten bini g´stande / Ha den Immli zugeschaut …  (Göthe, Schweizer Lied)
12 Mein Herz ist entglommen, / Dir treu zugewandt, / Du Land … H.F.Maßmann, 1820)
13 So dir geschenkt ein Knösplein was, / So thu es in ein Wasserglas
Ernst von Feuchtersleben, 1806-1849  / Mendelssohn-Bartholdy
14 Ufem Bergli bin i g´sesse, / Ha de Vögli zugeschaut, / …  (Göthe, Schweizer Lied)
15 Und wo me luegt isch Schnee u.Schnee, / Me sieht kei  … (Hebel)
16 Wenn der Winter ist vorüber / Und der Frühling zieht ins Feld
(Hoffmann v. Fallersleben / Silcher, 1789-1860)

 

Ein wenig merkwürdig nehmen sich auf der vierten Karte die Mietskasernen auf freiem Felde aus und irritieren im Zusammenhang mit der biedermeierlichen Kleidung des Lindenbaumträumers.

Bemerkenswerter noch sind die Unterschiede in der Fassung der auf der Rückseite der Leitkarte (1) handschriftlich eingetragenen Verse von Goethes Schweizerlied zu der Schreibung in der Goetheausgabe des Bibliographischen Institutes, Leipzig 1900. (Am 28. Februar 1811 an Zelter gesandt.)

 

Leitkartenrückseiten 11 und 14:  Goethes Werke, Leipzig 1900

Ufem Bergli bini g’sesse                               |  Uf’m Bergli               Bin i gesässe,
Ha de Vögli zugeschaut;                               |  Ha de Vögle             zugeschaut;
Hend gesunge, hend gesprunge,                  |  Hänt gesunge,          Hänt gesprunge,
Hend Nestli gebaut.                                      |  Hänt’s Nestli              Gebaut.

 

Imme Garten bini g’stande                            |  In ä Garte                  Bin i gestande,
Ha de – n – Immli zugeschaut,                       |  Ha de Imbli                Zugeschaut;
Hend gesummet, hend gebrummet,              |  Hänt gebrummet,       Hänt gesummet,
Schöni Zelli hend sie gebaut. Göthe.            |  Hänt Zelli                   Gebaut.

 

Allein nach der Zuweisung an Goethe durch den Beschrifter der Leitkartenrückseite kann ausgeschlossen werden, dass es sich um ein bekanntes Schweizer Lied handelt, das Vorlage seiner Dichtung gewesen sein könnte. Allerdings weist der Herausgeber Dr. Karl Heinemann darauf hin, dass kein derartiges Lied aus der Schweiz nachgewiesen ist, wohl aber im Anhang von ‚Des Knaben Wunderhorn‘ (1808) ein Volkslied aus dem Odenwald mit ähnlichem Anfang zu finden sei. Auch aus dem Frankenlande liessen sich parallele Fassungen  (Werke. Erster Band. Hrsg.: Prof. Dr. Karl Heinemann, Leipzig 1909 S. 96 u. 373). Die Überprüfung weiterer Lieder würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

 

Auch unbekannter Herkunft ist ein Quartett (8×4 Bl., Besitz M. König, Zürich) – ohne Schachtel oder Anleitung – mit acht Kinderreimen, das sich wieder eindeutiger an Kinder wendet als das vorangegangene. Da nur der Wegweiser nach Frankfurt und das Sauerkraut auf eine Region hinweisen, können nur vage Vermutungen über die Herkunft gemacht werden. Die Reduzierung auf vermutlich acht Quartette lässt eine Datierung auf die Zeit vor 1890 nicht zu.

 

Kinderreime ??, Verlag und Ort unbekannt um 1900, 8×4 Blatt

Ein lustiger Bu‘   –                                            Braucht oft ein Paar Schuh!   –
Ein trauriger Narr   –                                        Hat lang an ein’m Paar.

Es regnet, es regnet,   –                                   Es regnet seinen Lauf.   –
Und wenn’s genug geregnet hat,   –                Dann hört es wieder auf.

Jakob hat kein Brot im Haus,   –                      Jakob macht sich nichts daraus.   –
Jakob hin, Jakob her;   –                                 Jakob ist kein Zottelbär.

Ist ein Mann in’s Wasser gefall’n,   –                Ich hab ihn hören plumpen.   –
Wär ich nicht dazu gekommen, –                    Wär er mir ertrunken.

Männlein, Männlein, geig einmal;   –              Lieschen möcht gern tanzen;   –
Hat ein buntes Röcklein an,   –                        Rings herum mit Franzen.

Pumpernickels Hänschen   –                            Saß am Herd und schlief;   –
Da brannten seine Höschen.   –                        Potztausend, wie es lief!

Ich und mein Kathrinelein   –                           Wir gingen über Feld,   –
Wir trinken ein Glas Äpfelwein,   –                   Das kost’t uns unser Geld.

Sauerkraut und Rüben,   –                                Die haben mich vertrieben.   –
Hätt‘ mein Meister Fleisch gekocht, –                Wär ich bei ihm geblieben.

 

Die sehr schönen bildlichen Darstellungen zu den Kinderreimen wurden möglicherweise aus einem Kinderbilderbuch übernommen und behutsam durch kleine farbige Kreise mit Ziffern von 1-4 indiziert. Die Texte mußte man allerdings beim Spiel aus dem Gedächtnis selbst ergänzen können.

Die Fülle der Volkslieder breitet ein optisch recht nüchternes Lieder-Quartett von Werner & Schumann (No. 2168, Berlin um 1905, 12×4 Bl. Nach der noch recht wechselvollen Rechtschreibung ist das Spiel vor  Rechtschreib-Reform von 1907 zu datieren) vor uns aus. Nicht Bilder kennzeichnen das Spiel, sondern mit unterlegte Noten. Eine eingehende Prüfung der ausgewählten Lieder erlaubt den Schluß, dass dieses Spiel die ganze Familie vom lesekundigen Schüler über den Studenten bis hin zu den Eltern ansprechen sollte. Es ist gut vorstellbar, dass die fehlende Spielanleitung den Sieger des Spieles aufforderte, ein Lieblingslied auszusuchen, das dann gemeinsam gesungen wurde.

Immerhin sind noch neun dieser 48 Lieder (unten fett gesetzt) 90 Jahre später im Buch der Kinderlieder von Ingeborg Weber-Kellermann enthalten.

 

Wiegenlieder:
Schlaf‘, Kindlein schlaf‘! Der Vater hüt’t die Schaf‘    Gu-ten A-bend, gut‘ Nacht
Schlaf‘ Herzenssöhnchen mein Liebling bist du!       Schlaf‘ in guter Ruh‘, thu die Äuglein zu

Frühlingslieder:
Al-le Vö-gel sind schon da,                                     Der Mai ist ge-kom-men
Komm lie-ber Mai und ma-che                                Ku-kuk, Ku-kuk ruft aus dem Wald,

Weihnachtslieder:
O du fröh-li-che, O du                                             Ihr Kin-der-lein kommet
Stil-le Nacht hei-li-ge Nacht,                                   Es ist ein Ros‘ ent-sprungen

Wanderlieder:
Das Wandern ist des Müllers Lust,                            Nun ade du mein lieb Heimatland
Muss i denn, muss i denn zum Städte-le ’naus         Morgen muss ich fort von hier

Rheinlieder:
Ich weiss nicht was soll es bedeuten                       Dort wo der Rhein mit seinen grünen
Es liegt eine Krone im tiefen Rhein                         Strömt her-bei ihr Völ-ker-schaaren

Tyrolerlieder:
Ty-ro-ler sind lu-stig,                                              Mei Dirn-del is harb uf mi,
Ver-lassen, ver-lassen, ver-las-sen                         Von mei-nem Ber-gli mus i scheiden

Studentenlieder:
Es hat-ten drei Ge-sel-len                                      Grad aus dem Wirtshaus nun
Gau-de-a-mus i-gi-tur,                                            Ça, ça ge-schmau-set lasst uns nicht

Trinklieder:
Wer nie-mals ei-nen Rausch ge-habt,                     Ich nehm‘ mein Gläschen in die Hand
Be-kränzt mit Laub – den lieben vollen Be-cher     Im tie-fen Kel-ler sitz‘ ich hier

Liebeslieder:
Du, du liegst mir im Herzen                                   Ach, wie ist‘s mög-lich dann,
Aennchen von Tharau ist                                       Freud-voll und leid-voll ge-danken

Jägerlieder:
Ein Jäger aus Kur-pfalz, der reitet                         Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch
Im Wald und auf der Hai-de,                                  Wer hat dich du schöner Wald,

Vaterlandslieder:
Es braust ein Ruf wie Donnerhall                           Ich hab‘ mich ergeben mit Herz
Was ist des Deutschen Vaterland                           Deutschland, Deutschland über Alles

Soldatenlieder:
O Strassburg, o Strassburg du wunderschöne        Was blasen die Trompeten?
Ich hatt‘ einen Kameraden                                     Prinz Eugen der edle Ritter.

Sie belegen so, dass dieses Quartett durchaus auch für Kinder konzipiert wurde. Es versteht sich, dass Vaterlandslieder der Kaiserzeit 1997 nicht mehr erwähnt sind, Soldatenlieder und militärische Indoktrination werden auf die Zeit des Nationalsozialismus und des Kalten Krieges bezogen und nur der Vollständigkeit halber besprochen. Trink-, Liebes-, Studentenlieder wurden nicht unter die Kinderlieder aufgenommen. So bleiben für einen Vergleich die Wiegen-, Frühlings- und Weihnachtslieder. Unter den Wanderliedern ist nur Wilhelm Müllers: ‚Das Wandern ist des Müllers Lust‘ erhalten geblieben. Überraschend wird das Jagdlied: ‚Ein Jäger aus Kurpfalz‘ von ihr als populärstes Jagdlied unter Kinderlieder aus der Arbeitswelt aufgenommen.

Insgesamt folgt Weber-Kellermann in ihrer Auswahl einem Gedanken Thomas Manns in ‚Dr. Faustus‘, dass nur eine ständige Wechselbeziehung zwischen Pflege von Tradition und Liebe zum Alten einerseits und der Zuwendung zu dem daraus hervorgegangenen Neuen und Jungen andrerseits vor Sterilität und Unverständnis bewahrt. Allerdings wendet sich ihr Buch der Kinderlieder an Kinder vorwiegend in homogenen öffentlichen Institutionen, in Kindergärten, Schulen und Jugendgruppen, während ein Quartett damals für Gruppen im gesellschaftlichen Umkreis von Familie und Verwandten gedacht war. Mit den Unterschieden in der Altersstruktur der angesprochenen Gruppen erklären sich weitere Unterschiede in der Auswahl der Lieder.

 

Ebenso für die Familie, aber im Zeichen des Jahrhunderts des Kindes ganz für das Spiel mit den Kleineren konzipiert, zeigt sich Lena Baurnfeinds liebevoll und kindgemäß illustriertes Kinderlieder-Quartettspiel (Otto Maier Nr. 152/152b, Ravensburg 1907, 12×4 Bl., Illustrator:. Lena Baurnfeind). Sie ist als Enkelin Moritz von Schwinds besonders geeignet, den Geist der Romantik, in der die Welt der Kinder noch hell und freundlich war, ins Spiel der Kinderwelt zu tragen. Ihre Zeichnungen stammen allerdings aus jener Epoche des Umbruchs, in die Inhalte des 19. Jahrhunderts noch weit und mächtig hineinragen, während neue ästhetische Tendenzen der Stilkunst und pädagogische Reform- und Experimentierfreude bereits in voller Blüte stehen. Otto Maier hat das Quartett seit 1907 in verschiedenen Auflagen, die für den Sammler durch kleinere Text- oder hier Bildkorrekturen und Größenunterschiede unterscheidbar sind, sogar als Luxusausgabe in großer Schachtel verlegt.

Kommt a Vogerl geflogen …                     Fuchs, du hast die Gans gestohlen
Bicke, backe Kuchen …                             Ein Männlein steht im Walde
Schlaf, Kindlein schlaf …                           Zwischen Berg und tiefem Tal
Ringel, ringel Reihe …                              Es regnet, es regnet …
Blauer blauer Fingerhut …                            Am schönsten klingt ein frohes Lied …
Daumenlanger Hansl …                                Ein Schäfermädchen weidete …
(In Fettdruck die im Buch der Kinderlieder noch heute vertretenen Lieder. Auf österreichisch-süddeutsche mundartliche Formen im Quartett sei hingewiesen.)

Anspruchsvoller und eher für acht- bis zwölfjährige Kinder gedacht ist das lustige Quartett von Otto Maier( No. 205, Ravensburg 1909, 12x4Bl.). Es erscheint zwei Jahre nach den Kinderliedern, also 1909 und begibt sich auf die Ebene der illustrierten Moritaten, Schnurren und Schwänke. Der Schwank ist realistisch und unrealistisch zugleich. Damit fügt er sich gut in das naiv-realistische Weltbild dieser Kinder ein und ist geeignet, eine distanziert-ironische Lesehaltung anzubahnen, die später zum Verständnis verfremdeter Aussagen erforderlich ist. Bernhard Wiebel bemerkt dazu: „Die Herausgeber von Kinderausgaben verwechseln gern den Anspruch auf Wahrhaftigkeit im wirklichen Leben mit der Eigengesetzlichkeit des Nicht-Wirklichen in der Literatur und trauen den Kindern die Fähigkeit nicht zu, den Unterschied selber zu erkennen.“ Offensichtlich war das nicht die Auffassung des Otto Maier-Verlages, der Anklänge an Lügendichtung, und Wortspielereien wie sie besonders in den Versen von den beiden Löwen aber auch in der Geschichte von der Seestadt Leipzig spürbar sind, gerne aufnimmt.

Uf’m Bergli bin i g’sässe.                          Ha de Vögli zug’schaut.
Will ich in mein Gärtlein gehen,                Will mein Zwiebeln gießen. …
Sperling ist ein kleines Tier,                     hat ein kurzes Schwänzchen,
Hans und Fritz die beiden Knaben             möchten haben einen Raben. …
In einem grünen, grünen Wald                  saßen einst zwei Hasen, fraßen ab …
Im Sonnenschein vor seinem Bau             liegt Reinicke der Fuchs gar schlau,…
Zwei Löwen gingen einst selband             In einem Wald spazieren,
Was kraucht denn da im Busch herum?   Ich glaub es ist Napolium! …
Ich bin der Doktor Eisenbart,                    Kurier die Leut nach meiner Art. …
In der großen Seestadt Leipzig                 war jüngst eine Wassersnot; …
Ludwig fährt im Auto schön …                  Vorwärts geht´s im muntern Sinn …
Eins, zwei drei,                                         Alt ist nicht neu

 

Insgesamt zeigen die aufgefundenen Parallel-Quellen, dass es dem Maier-Verlag ernst war, eine Reihe volkstümlicher Lieder und Verse auszusuchen und zur Freude der acht- bis zwölfjährigen Kinder als Quartett ins Bild zu setzen. Ein Verkaufsschlager wurde es nicht wie das Kinderliederquartett, das allein in den ersten 5 Jahren 19.400 mal verkauft wurde. Immerhin ist das ‚Lustige Quartett‘ in den entbehrungsreichen Jahren voller schwarzem Humor zwischen 1916 und 1918 ein weiteres Mal in 2000 Exemplaren aufgelegt worden, von denen laut Verkaufsstatistik 1343 Spiele verkauft wurden.

 

Etwa im gleichen Jahr 1909 schließt der Jos. Scholz-Verlag in Mainz die durch das Kinderliederquartett von Otto Maier entstandene Lücke in seinem Verlagsprogramm der Quartette. 1908 illustrierte Otto Gebhardt für Scholz ‚Liebe alte Reime‘ (Das deutsche Bilderbuch, 56 und auf Pappe 57). Spätestens ein Jahr danach sollte das vorliegende Quartett Kinderreime (Jos. Scholz Verlag Nr. 5005/6, Mainz Auflage um 1913, (nach vorliegender RS datiert) 12×4 Bl., Illustrator: Otto Gebhardt) in erster Auflage erschienen sein. Das von Cornelia Schneider vorgelegte Bild ist jedoch nicht im Quartett enthalten. So wird davon ausgegangen, dass Gebhardt für das Quartett neue Bilder vorgelegt hat, zumal im Quartett im Gegensatz zum Bilderbuch zu jedem Reim vier Illustrationen erforderlich waren.

Die im Quartett behandelten zwölf Kinderreime dürfen als Volksgut in regionaler Ausprägung ausgewählt sein. Zwar tauchen zehn dieser Reime auch in H. Wolgast: ‚Schöne alte Kinderreime‘ (Ausgewählt von Heinrich Wolgast, Buchverlag der Jugendblätter, München, 19. Aufl. (Erstaufl. 1904) Illustr. Josef Mauder) wieder auf, diverse Textabweichungen machen aber deutlich, dass weniger auf vorhandene Quellen als auf mündlich tradierte Formulierungen zurückgegriffen wurde, wie sie Wolgast in seiner Vorrede empfiehlt: „Manche der hier gebotenen Kinderreime sind auch in mundartlicher […] Fassung vorhanden. Wo die Mutter diese kennt, sollte sie sie der hochdeutschen Form vorziehen

Und als der Großvater die Großmutter nahm            Hopp, Hopp, Reiter
Jan spann an                                                            Ich und du
Eio popeio, was raschelt im Stroh                            Ilse Bilse
Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn                  Schlaf, Kindchen schlaf
Fünf Engel haben gesungen, fünf Engel …               Maikäfer flieg
Drei Häslein sitzen dort im Feld                                Drei Rosen im Garten

Während die Auseinandersetzung um Inhalt und Illustration des guten Kinderbuches als Gesamtkunstwerk (und damit auch der Spiele) noch in vollem Gange ist, werden mit dem zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts wieder kriegerische Themen aktuell. So stellt der national gesinnte Hausser-Verlag, der 1912 in Ludwigsburg die eigene Produktion aufgenommen hat, um 1914 ein Soldatenlieder-Quartett: (O.u.M. Hausser Nr. 604, Ludwigsburg um 1914, 12×4 Bl., Ill. A. Reich: München) vor, das geholfen haben mag, wehrhafte Erinnerungen aus dem Krieg von 1870/71 während des Weltkrieges in der Familie wach zu halten. (S. Abschn. 4.2.2)

Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben? –        Dr.B.Thiersch / Aug. Reithardt

Reiters Morgenlied –                                                Wilhelm Hauff / Volksweise

Die Wacht am Rhein. –                                            Max Schneckenburger / Karl Wilhelm

Heimat, o Heimat, bald muß ich dich verlassen. –   Mündlich überliefert / Volksweise

Wer will unter die Soldaten. –                                 Friedrich Güll / Friedrich Kücken

O Deutschland, hoch in Ehren. –                              Ludwig Bauer / Hugo Pierson

Soldatenabschied. –                                                Mündlich überliefert / Volksweise

Ich hatt‘ einen Kameraden. –                                   Ludwig Uhland / Volksweise

Heil Dir im Siegerkranz. –                                        Heinrich Harries / H.Carey

Flottenlied. –                                                           Rob. Linderer / Richard Thiele

Deutschland, Deutschland über alles.                    Hoffmann v. Fallersleben / Jos. Haydn

Gott erhalte Franz den Kaiser. –                             Laurenz Leop. Haschka / Jos. Haydn

Damit bricht die Reihe der Volkslieder- und Kinderreim-Quartette aber nicht ab. Schon 1919 erscheint bei J.W. Spear & S. ein neues Liederquartett (J.W.Spear & Söhne Nr. 928, Nürnberg um 1920, 12×4 Bl., Illustrator: Andreas Untersberger) das wieder Freude an friedlicher Natur vermittelt.

Es gingen 3 Jäger wohl auf die Birsch…                Fuchs, du hast die Gans gestohlen, …

Auf dem grünen Rasen, wo die Veilchen blühn…   Im Wald und auf der Heide …

Es geht durch alle Lande ein Engel still umher, …  Wenn ich ein Vöglein wär …     

Kuckuck, Kuckuck, Ruft aus dem Wald …                Mit dem Pfeil dem Bogen …      

Wem Gott will rechte Gunst erweisen, …                Sah ein Knab ein Röslein stehn,…

Weißt du wieviel Sternlein stehen, …                     Am Brunnen vor dem Tore, …

 

6.4    Märchen

Märchen-Quartette erscheinen bei den Kinderbuch- und Spielwarenverlagen in der Regel erst einige Jahre nach den Lieder-Quartetten ganz nach der Reihenfolge, in der sie bei Ellen Key und Heinrich Wolgast angesprochen wurden. Märchenbilderbücher und Beschäftigungsspiele mit Märchen gab es natürlich schon früher, die Umsetzung ins Quartett erfolgte mit Verzögerung auch gegenüber den Lieder-Quartetten.

1) Schmidt & Römer                6) O.u.M. Hausser                       2) Gustav Weise

Bei den sechs bekannt gewordenen Märchen-Quartetten vor 1914 wurde versucht, Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, ob sich die Illustratoren vorher durch Märchenbücher oder –spiele in die Materie eingearbeitet haben.

1)    Märchen bei Schmidt & Römer seit 1890 – 1889 z.B.: Theatertextbücher zu Märchen mit anhängenden Figurenbogen
Carl Römer ??: Märchen-Quartett, möglicherweise seit 1899 im Verlagsprogramm (Märchenschatz), sicher aber um 1910 (s. Abb.10/1).

2)    Märchenbücher von Marie Honeck bei Gustav Weise 1905
Marie Honeck:– Märchen Quartett Nr. 645, Stuttgart um 1908, 12×4 Bl.,
Illustrator Marie Hohneck um 1908 (s. Abb. 10/2)

3)    Märchen-Legespiele bei J.W. Spear &S. seit 1909 im Katalog
J.P. Werth: Märchen-Quartett, J.W.Spear & Söhne Nr. 856, Nürnberg 1919 im Katalog, 12×4 Bl., Illustrator: J.P. Werth1910

4)    Märchenbücher von Otto Gebhardt bei J. Scholz:, Mainz 1911
Otto Gebhardt: Märchen-Quartett-Spiel, Jos. Scholz Verlag No 5012, Mainz um 1910, 12×4 Bl., Illustrator: Otto Gebhardtum 1910/1913

5)    Märchen-Legespiele bei Otto Maier seit 1884
(vermutl.) Otto Robert = O.R. Maier:, Märchen-Quartett Märchen-Quartett, Otto Maier Nr. 241b, Ravensburg 1912, 12×4 Bl.1912

6)    Josef Mauder: Märchen=Quartett, O.u.M. Hausser Nr. 185/602, Ludwigsburg 1912, 12×4 Bl., Illustrator: Josef Mauderbei O.u.M.Hausser 1912/13 vorher Zusammenarbeit mit Wolgast (s. Abb. 10/6)

Dabei fallen die Spiele von Schmidt und Römer und von Hausser deutlich aus dem Rahmen. Das erstere zeigt die Märchenfiguren in ‚altdeutscher‘ Umgebung und kommentiert diese Illustrationen mit mitfühlsamen Vierzeilern, fesselt also die Fantasie des kindlichen Betrachters doppelt – das letztere ist durch die Zusammenarbeit Mauders mit Wolgast geprägt und verzichtet darauf, mehr als die handelnden Märchenfiguren vor leerem Hintergrund wie eine Chiffre vorzustellen. Hervorzuheben bleibt, daß die Illustrationen Marie Honecks für Gustav Weise durch ihre Jugendstil-Anklänge heute wieder einen besonderen Reiz ausstrahlen, während die Spiele von Spear, Scholz und Maier einen zeitgenössischen Standard der Jahrhundertwende prägen und jahrelang im Programm bleiben. Auf die in den Quartetten ausgewählten Märchen wird in Abschnitt 6.8.1 eingegangen.

 

6.5  „Benimm“ – Spiele

Natürlich waren Märchen als gebündelte Volksweisheit immer zugleich Hoffnungsträger wie bei Aschenbrödel oder Schneewittchen und Erziehungsmittel wie im Sterntaler oder Frau Holle. Der mahnend erhobene Zeigefinger, mit dem Rotkäppchen in vielen Darstellungen auf den Weg geschickt wird, beherrscht hintergründig manche der Struwwelpetriaden, die in Fünf-Pfennig-Spielen oder auf auseinanderschneidbaren Bilderbogen vorwiegend als Peterspiele an die Kinder herangetragen wurden. Als Beispiel diene dieses Peterspiel (Struwelpeter & Struwelliese?? /Kopie, Verlag unbekannt, um 1910?, 12×2 Bl. unbekannter Herkunft)

Hier steht der Peter! – seht ihn an
Und nehmt Euch ein Exempel d’ran!

Und auch die Struwelliese hier,
Gereicht den Kindern nicht zur Zier

Statt in der Schule früh zu sein,
Liegt Peter hier im Sonnenschein,

Und Liese rennt durch Feld und Wald;
Gar lustig ihre Peitsche knallt.

Ein anderes (Struwelpeter / Kopie, Verlag unbekannt, um 1910?, 10×2+SP Bl.) lehnt sich stärker an das Vorbild Hoffmanns an: (ohne Abb.)

Der Fritz der war ein böses Kind
und manchmal wirklich schlimm gesinnt;

Dem Affen in dem Käfig drin
dacht er nichts Gutes zu im Sinn.

Da dreht der Aff´‘ sich plötzlich rum,
dreht Fritzchen fast den Kragen um.

D´rum quäle nie ein Tier zum Scherz,
denn es fühlt wie Du den Schmerz.

Papier, Druck, Anzahl der Farben und auch die Knittelverse genügen nur geringen Anforderungen und gingen wohl nach einigen Probespielen mit der Mutter in die Hände der Kinder über.

Fast ganz ohne Warnungen und schlimme Wendungen macht der Maier-Verlag mit seinem Quartett ‚Das Jahr des Kindes‘ (Das Jahr des Kindes, Otto Maier No. 194b, Ravensburg 1908, 12×4 Bl.) positive Beschäftigungsvorschläge und setzt bestes Verhalten voraus. Der Titel erinnert an Ellen Key, der Inhalt entspricht ihrem Anliegen. Für jeden Monat gibt es ein Quartett mit vier gereimten und illustrierten Spielvorschlägen. Im Bild erleben wir Vorteile einer intakten Großfamilie; Schulfeste und Schülerausflüge sind keine neue Erfindung.

Juni
Ei, sucht doch die köstlichen Beeren im Wald,
Die Ferienfahrt vergißt der Hans nicht so bald,
Seht wie auf der Schaukel die Grete sich schwingt,
Seid artig beim Feste, sagt Mutter zum Kind

 

September

Sieh, wie die kleinen Puppenmütterchen spielen,
Die Knaben lassen ihre Drachen hochfliegen,
Der Gärtner pflückt uns die Äpfel vom Baum,
Sucht eßbare Pilze am Waldessaum.

Das artige Kind des 19. Jahrhunderts mit seinem vom Bürgertum geprägten Lebensraum wird in das neue Jahrhundert übernommen, Defizite gegenüber Ellen Keys Forderungen zeigen sich nicht. Von Ravensburg aus bleibt die Welt heil und geordnet. Unterstützt wird dieser Tenor durch das 1910 erschienene ‚Sinnsprüche-Quartett‘ (Otto Maier No. 220, Ravensburg 1910, 15×4 Bl.) das auch unter dem Namen ‚Kompaߑ bekannt ist. Welches Kind, das eben dieses Quartett vervollständigt hat und den Text beim Ablegen erfolgsgeschwellt vorliest, kann sich wohl dem Einfluß solcher Worte entziehen? – Vielleicht wird es sich über den stärkeren Nachbarssohn beschweren und ein beschwichtigendes Familiengespräch auslösen.

Nicht vom Jahr, sondern vom ‚Tag des Kindes‘ handelt das Quartett ‚Die Uhr‘, das Johanna Beckmann (Die Uhr / Quartett aus dem Tagesleben des Kindes, Jos. Scholz Nr. 5137, Mainz 1913/1920, 12×4 / 8×4 Bl., Scherenschnitte Johanna Beckmann) im Gegenzug für den Scholz-Verlag entwickelt. Als Schattenriss sind die Tätigkeiten eines Kindes im Ablauf eines Tages vom morgendlichen Aufstehen bis zum Abendgebet festgehalten. Der Schattenriss macht es deutlich: nicht ein bestimmtes Kind, jedes Kind muss den Zeigern der magisch beherrschenden, weiß leuchtenden Uhr folgen. Dieses wie auch das letzte Quartett dieses Abschnittes wurde bis weit in die zwanziger Jahre hinein von den Elternhäusern gern angenommen und nach den Knicken zu urteilen auch hitzig gespielt.

Des Interesses halber seien die Tätigkeiten der Kinder hier aufgeführt. Es fällt auf, dass auch die noch nicht schulpflichtigen Kinder mit einbezogen werden. Ihre Pflichten und Spielmöglichkeiten findet man in Quartett drei und vier. Dem Bewegungsdrang der Schulkinder nach dem langen Sitzen in der Schulbank wird in Quartett sieben, acht und neun Rechnung getragen. Dann sind nach der uns fremd gewordenen Aufgabe des Kaffeemahlens – wieder und überraschend kurz – die schulischen und kulturellen Pflichten an der Reihe, bevor sich der Tageslauf nach einer ruhigeren Spielstunde schließt.

  1   7  –   7 3/4     Anziehen, Waschen, Kämmen, Frühstück

2   8  –   8 3/4     Rüsten, Schulweg, Ankunft, Schule

3   9  –   9 3/4     Hühnerfüttern, Blumengießen, Pflanzen, Blindekuh

4 10  – 10 3/4      Steckenpferd, Bär, Trommeln, Trompete

5 11  – 11 3/4      Frühstück, Ausgehn, Einkaufen, Besuch

6 12  – 12 3/4      Kochen, Anrichten, Suppe, Pudding

7   1  –   1 3/4     Soldatspielen, Indianer, Garten, Reifen

8   2  –   2 3/4     Angeln, Schiffchen, Blumenpflücken, Drachen (f)

9   3  –   3 3/4     Fußball, Rollschuh, Kaffeemahlen, Kaffeetrinken

10   4  –   4 3/4     Schularbeiten, Geigen, Stricken, Häkeln

11   5  –   5 3/4     Puppe,Spielen mit Hund, Eisenbahn, Baukasten

12   6  –   6 3/4     Abendbrot, Gute Nacht, Auskleiden, Abendgebet

 

Ein ähnliches Quartett ‚Kinderland‘ (FX Schmid Nr. 95 / 54522, München um 1950 / 1973, 9×4 / 8×4 Bl.) illustriert Anneliese Tesdorpf etwa fünfzig Jahre später für FX Schmid. Sie läßt dabei die schulischen Pflichten aus und schildert nur den Tageslauf kleinerer Kinder. Das Spiel erscheint noch einmal gerade zur Blütezeit der Kinderläden und ist dann als Kontrapunkt nur wenig geeignet, Maßstäbe zu setzen.

„Gleichviel ob Bube oder Madel – Wer Unfug treibt, kriegt einen Tadel“
„Ist frei man von der Schule Bann,

So fängt die Lebensschule an.“
„Wird nicht studiert mehr und gebüffelt,
So kommt der Meister her und rüffelt.“
„Wer Doktor werden will der geht

Stolz auf die Universität.“
„Hat man zu Hause nicht zu tun,
Geht´s nach Süd-West und Kamerun.“
Mit Schätzen reich belanden strebt

Der Kaufmann heim, wenn er noch lebt.“
……………..

Derartige Rahmenrichtlinien zur Lebensführung nimmt auch J.W. Spear im Jahre 1913 in sein Quartett auf. Sein Maßstab umfasst allerdings nicht nur einen Tag oder ein Jahr, sondern den ganzen gehoben-bürgerlichen ‚Lebenslauf (J.W.Spear & Söhne Nr. 648, Nürnberg 1913, 18×4 Bl., Autor: Fr. Prof. Dr. H. Fernow, Illustrator: J.P. Werthvom) Baby in der Wiege bis zum goldenen Lebensabend. An Mahnungen fehlt es nicht in den achtzehn Quartetten und Vierzeilern von Frau Prof. Dr. H. Fernow, die J.P. Werth mit leichter Feder sowie leichter Ironie in 72 Bilder setzt, dennoch spürt man bereits ein Unbehagen an den Abläufen in einer saturierten Bürger-Gesellschaft. Kaiser und Adel werden nicht erwähnt, der Staat erweist sich als käuflich, in den Kolonien macht man sein Glück oder geht dort zugrunde, das Auto wird neues Wohlstandssymbol neben der eigenen Villa – und gelegentlich geht man ins Theater:

Als Anmerkung sei hier auf ein Peterspiel unbekannter Herkunft hingewiesen (Schwarzer Johann ??, ??, Berlin um 1890, 8×2+2 SP Bl., die sich ziemlich eindeutig auf das dt. Schutzgebiet Kamerun beziehen, zu dem 1884 Nachtigall als Reichskommissar Schutzbriefe für das Deutsche Reich mit Eingeborenen unterschrieb.) das sich in deutlich mokanterer Form mit den Kolonien und den von dort nach Deutschland gekommenen Schwarzen befasst. Mit diesen Karten soll belegt werden, dass das Thema seinen Weg mehrfach aus der öffentlichen Diskussion ins Spiel gefunden hat.

 

Ich hat einen Kameraden, / einen schwärzern giebt es nicht. – Der stolze Oberst Rumelhun / hält fesch Parad in Kamerun.

Dieser Herr mit namens Kuhn / Kommt mit Coaks aus Kamerun. / (Steh?)len und sehr Böses thun / (f?)ind man auch in Kamerun.

 

6.6    Sport

In ‚Lustigen Quartetten‘ (Nr. 676, Stuttgart um 1910, 10×4 Bl., im Besitz von Leonhard Stork, Traunreut) aus der Zeit um die Jahrhundertwende findet sich bei der Darstellung von Sportlern oft ein eigentümlich ironisches Element. Der dritte Stand zieht über Sozialistische Sportvereine leise, doch bespöttelt in die Bürger-Gesellschaft und in die bürgerlichen Quartette ein.

Wenn die Größenverhältnisse von Knabenkopf und Fußball nicht zusammenpassen, wenn ein Boxkampf merkwürdig nach Bubenrauferei ausschaut, oder wenn der Jugendliche im Matrosenanzug mit seinem Ruderboot nicht umzugehen weiß, mag man noch unsicher sein. Wenn aber der Fechtsport durch einen bettelnden Handwerksburschen – einen ‚Fechtbruder‘ dargestellt wird, muß tatsächlich eine recht zwiespältige Haltung gegenüber sportlicher Betätigung in Deutschland üblich gewesen sein.

Als Hintergrund dieser Darstellungen muss man die Gründungsphase der Arbeiterbewegung mit Lese-, Theater-, Turn-, Sport-, oder Gesangvereinen als wichtige Elemente einer Gegenkultur zum bürgerlichen Vereinswesen sehen. Deren Vereine sollten über Erziehung, Bildung und gemeinsame Freizeit die Emanzipation der Arbeiterschaft fördern, neue Interessen wecken und die schlechten Arbeits- und Wohnverhältnisse etwas erträglicher machen. Schon zur Zeit der Sozialistengesetze wuchs eine nach außen verdeckte, scheinbar „unpolitische“ Vereinskultur heran und half so der Sozialdemokratie beim Überleben. Gemessen an polizeilichen Gegenmaßnahmen war dieses Vereinswesen ein erstaunlich tragfähiger politischer Pfeiler der jungen Arbeiterbewegung und wurde im bürgerlichen Lager belächelt und abgelehnt. Ähnliche Darstellungen lassen sich auch noch um 1925 im Sport-Quartett der Firma Bing bei Kraftsport und Geräteturnen nachweisen. (Abb. links:  Ein neues Quartett Spiel, J.W.Spear & Söhne)

An dieser Stelle muss die Vermutung hervorgehoben werden, dass die ‚bunten Quartette‘ für Kinder oder spätere Sport-Quartette, die im Sinne der Pädagogik eines Guthsmuts oder der deutschen Turnerbewegung des Turnvaters Jahn die sportliche Betätigung der Jugend fördern wollten, absichtlich und gleichsam doppelbödig die vorherrschende gesellschaftliche Auffassung zum Dritten Stand transportieren sollten.

Das wird um so deutlicher, wenn man diese Spiele mit den Sport-Quartetten von Spear (Sport / Ein neues Quartett Spiel, J.W.Spear & Söhne Nr. 595.1, Nürnberg 1912, 12×4 Bl.) oder Dondorf (-Quartett, Bernhard Dondorf No. 344, Frankfurt um 1910, 10×4 Bl.) vergleicht.

Beide Verlage suchten zwar nach neuen Käuferschichten, waren im Bürgertum aber gut eingeführt. Tennis, Golf, Cricket, Crocket, Rudern, Fechten, Hockey, Schwimmen, Wintersport, Fußball, Springen und Boxen werden im Outfit der gehobenen Klassen vorgestellt und animieren zu eigenem Tun. Der Schwimmerin begegnen wir unterhalb des Kreidefelsens von Rügen in der Umgebung der bekanntesten Seebäder der damaligen Zeit.


Abb.: Lustiges Quartett, Gustav Weise, um 1910

Beim Spiel Bernhard  Dondorfs kommt zu den herkömmlichen Sportarten wie Rodeln, Reiten, Rudern, Tennis, Skifahren, Turnen und Fußball auch das Radfahren, Autofahren und Fliegen dazu. Das Spiel ist also für seine Zeit sehr modern oder stammt doch erst aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg.

 

6.7    Technik, Verkehr und Beförderung

1   Floß, Fähre, Ruderboot, Rettungsboot
2   Kinderwagen, Postkarren, Gepäckkarren, Schubkarren
3   Sänfte, Postkutsche 1825, Luxuxwagen, Taxameter
4   Eisenbahn, Pferdebahn, Elektrische Staßenbahn, Schwebebahn
5   Hochrad, Telegraphenbote, Rascher Bote, Bäckerwagen
6   Freiballon, Luftschiff Zeppelin, Luftschiff Parseval, Flieger
7   Bergschlitten, Hundeschlitten (Eskimo), Pferdeschlitten, Bobsleigh
8   Motorrad, Automobil, Motorbierwagen, Aufzug
9   Stelzen, Schlittschuhe, Schneeschuhe, Rollschuhe
10  Rennyacht, Segelschiff, Raddampfer, Schraubendampfer
11  Tragkorb, Handkorb, Rucksack, Tornister 1848
12  Pferd, Esel, Elefant, Kamel

Es bleibt dem Scholz-Verlag vorbehalten, die sich nach der Jahrhundertwende rasch technisierende Umwelt des Kindes als erster in einen überschaubaren, kindgerechten Rahmen gebracht zu haben. Das Quartett ‚Verkehr und Beförderung‘ (Jos. Scholz Nr. 5070, Mainz um 1910, 12×4 Bl.,) von Theodor Cronberger fantasievoll illustriert, verbindet dabei auf seinen 48 Karten nicht nur kindliche Fortbewegungsmittel wie Stelzen und Schlittschuhe (siehe Abb.) mit moderner Luftfahrt, es verbindet nicht nur die gute alte Postkutsche mit der Schwebebahn, Spiel, Sport und Freizeit mit der vom Kind erlebten schweißtreibenden Arbeitswelt, es thematisiert ebenso den Wandel von menschlichen oder tierischen Transportleistungen bis zum heute alles beherrschenden LKW, den es uns als Motorbierwagen vorstellt, und umschließt die Entwicklung der Schifffahrt vom Floß zum Schraubendampfer.

Als Vorläufer weiterer kriegstechnisch orientierter Spiele in den ersten Jahren des Weltkrieges aber auch als Vorläufer verkehrstechnisch orientierter Spiele der Zwanziger und Dreißiger Jahre behält dieses Spiel durch Einbeziehung von Mensch und Tier eine nie wieder erreichte Universalität. Alle späteren Spiele, die sich mit Verkehr befassen, beschränken sich auf immer enger werdende Sektoren und klammern Mensch und dienendes Tier zunehmend aus.

In der Folge beherrscht das Thema Krieg den Sektor Familienkartenspiele. Bei den Kinder-Quartetten sind keine wesentlichen Neuerungen vorzufinden. Die Verlage vertreiben die Reste ihrer Bestände, erneuern erst nach dem Kriege ihre Auflagen oder passen sie nach Kriegsende den veränderten politischen oder gesellschaftlichen Anforderungen an, indem sie die Kartenzahlen der Quartette verringern.


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